APROPOS Jesus | 60 Fragen - 60 Antworten
37. Hat Jesus gesungen und musiziert?
Einen Jesus, der ein Lied vor sich hin trällert, Flöte spielt oder fröhlich die Saiten einer Kithara zupft, finden wir in den ältesten Quellen nicht. Erst eine Schrift aus dem Ende des zweiten Jahrhunderts („Johannesakten“ genannt) lässt Jesus am Abend vor seiner Gefangennahme am Ölberg mit seinen Jüngern singen und tanzen. Historisch glaubwürdig ist das nicht.
Das älteste Evangelium klingt da nüchterner: „Nach dem Lobgesang gingen sie zum Ölberg hinaus.“ (Mk 14,26) Dennoch darf man annehmen, dass Jesus öfter gesungen hat: am Sabbat in der Synagoge, bei Hochzeiten (z. B. in Kana, vgl. Joh 2) und immer, wenn er eingeladen war und jemand ein Lied anstimmte. Im Alten Orient wird gern und viel gesungen. Feldarbeit und Handwerk gehen leichter von der Hand, wenn sie von Gesang begleitet werden. So singt vermutlich auch der Bauhandwerker Jesus nicht nur die alten hebräischen Psalmen in der Synagoge, sondern auch aramäische Lieder seiner Zeit.
Sein großes Talent liegt allerdings im Erzählen. Man hört ihm gerne zu. Ob er eine schöne, angenehme Stimme hatte? Sehr gut möglich. Mit seinen Gleichnissen erreicht er jedenfalls Herz und Verstand der Menschen. Viele spüren beim Zuhören, dass auch in ihrem kleinen schwierigen Leben die Liebe Gottes am Werk ist („Reich Gottes“). In einer seiner schönsten Erzählungen (Lk 15,11–32) schildert Jesus, wie ein Vater seinen Sohn, der ihn vor Jahren mit frechen Forderungen verlassen hat und nun total zerlumpt zurückkommt, liebevoll aufnimmt. Ja, der Vater lässt ein kostspieliges Fest für ihn ausrichten. Dass Jesus hier ausdrücklich „Musik und Tanz“ (Lk 15,25) erwähnt, zeigt, dass er um die Schönheit dieser Dinge weiß und sie schätzt.
Auch in der späteren Jesusbewegung spielen Singen und Musizieren eine große Rolle. Noch immer bewegen die liturgischen Gesänge der Ostkirche, der Reichtum der abendländischen Kirchenmusik, die Spirituals und viele andere christliche Lieder die Herzen der Menschen. Kirchweihtage („Kirtage“) sind bis heute an vielen Orten lustige Zusammenkünfte mit viel Tanz und Musik. Auch Karneval und Fasching haben ihren Ursprung im katholischen Kirchenjahr.
Karl Veitschegger
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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