Weltanschauungsarbeit heute | 10
Weltanschauungsvielfalt

"Vielfalt" Illustration von Ivan Rajic um Zukunftsbild der Katholischen Kirche Steiermark | Foto: Ivan Rajic
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  • "Vielfalt" Illustration von Ivan Rajic um Zukunftsbild der Katholischen Kirche Steiermark
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Von Life-Coaching, Glückssteinen und anderen Methoden der (Selbst-)Optimierung.

Das Feld katholischer Weltanschauungsarbeit ist ein sehr weites. Im vergangenen Arbeitsjahr haben die österreichischen Kirchenzeitungen zusammen mit der ARGE Weltanschauungen einen ersten Einblick dazu gegeben. Heuer wollen wir diese Kooperation fortsetzen und in zehn weiteren Beiträgen Bereiche der weltanschaulichen Arbeit in den Blick nehmen, die oft ganz selbstverständlich zu unserem Alltag gehören und denen der Gedanke der Optimierung zu eigen ist: der Optimierung des gesellschaftlichen Zusammenlebens, der Optimierung kirchlicher, religiöser Gemeinschaft, vor allem aber der Optimierung des Selbst. Es ist ein Zeichen unserer Zeit, dass alles auf Effizienz und Perfektion getrimmt ist. Das macht auch vor spirituellen Fragen und den Fragen des persönlichen Lebensglücks nicht halt. Egal ob es um Yoga, energetische Glückssteine oder um den Transhumanismus geht, überall wird versprochen, dass das persönliche Leben „besser“ wird, wenn man es wirklich wolle, es liege an einem selbst, ob man zu den „Gewinnern“ oder den „Verlierern“ gehöre. Tiefergehende Reflexionen auf das eigene Leben und die eigene Vergangenheit sind in der Regel hier nicht vorgesehen.
Beim Thema „Selbstoptimierung“ haben in den letzten Jahren Angebote des sogenannten „Life-Coachings“ – vor allem durch die sozialen Medien und die digitalen Möglichkeiten – stark an Bedeutung gewonnen. Es geht dabei meistens darum, mit Unterstützung eines „Life-Coaches“ das eigene „Mind-Set“, die eigenen Denkmuster zu verändern. Durch diese Änderung des „Mind-Sets“, so das Versprechen, wird man beruflich erfolgreicher und zu einem „glücklicheren“ Menschen. Die Kurse werden oft als für den Job hilfreiche Aus- und Weiterbildungen angeboten und mit Zertifikaten versehen. Methodisch wird sehr stark mit Gruppensuggestionen und Affirmationen gearbeitet sowie der Empfehlung, sein altes Leben einfach hinter sich zu lassen und neu durchzustarten. Sollte sich das „Glück“ dann trotzdem nicht einstellen, kann es nur an einem selber liegen: Man hat sich nicht genug angestrengt, nicht exakt genug die Empfehlungen umgesetzt oder einfach das Ganze noch nicht richtig verstanden. Diese noch bestehenden „persönlichen Mankos“ können mit der Buchung weiterer Angebote – meist mehr vom selben – behoben werden.
Die Problematik dieser Angebote besteht zum einen darin, dass die „Life-Coaches“ oft selbst keinerlei qualifizierte Ausbildung haben und die Investitionen für Kurse und Online-Angebote schnell einmal in den fünfstelligen Euro-Bereich gehen können, die dabei erworbenen „Zertifikate“ am Arbeitsmarkt allerdings nichts wert sind. Zum anderen besteht die Gefahr, dass tragende Beziehungen aus dem „früheren“ Leben abgebrochen werden, diese in weiterer Folge aber fehlen, wenn es zu Krisen und Problemen kommt.

Mein Beitrag

  • Worin siehst du die Problematik bei der „Selbstoptimierung“?
    Grundsätzlich gibt es gegen ein Streben nach persönlichem Wachstum nichts einzuwenden. Im Gegenteil, jede Religion regt dazu an, ein „besserer“ Mensch zu werden. Problematisch wird es dann, wenn man nur mehr sich selbst im Focus hat und vergisst, dass man ein soziales, auf andere verwiesenes Wesen ist
    .
  • Welche „Realität des Lebens“ meinst du?
    Geburtsort, Familie, Bildungsmöglichkeiten, Schicksalsschläge und anderes mehr haben erheblichen Einfluss auf das eigene Leben. Methoden der Selbstoptimierung versuchen oft, diese Faktoren zu ignorieren, und verhindern dadurch, mit Grenzziehungen dieser Art zurechtzukommen. Nicht der „perfekte Mensch“ ist das Ziel des Lebens, sondern trotz und wegen all der Gebrochenheit der Welt und des persönlichen Daseins Liebe zu erfahren und Liebe zu geben.

Helmut Kirchengast 
ist Theologe, Ombudsmann und Referent für Weltanschauungsfragen in der Diözese Graz-Seckau

"Vielfalt" Illustration von Ivan Rajic um Zukunftsbild der Katholischen Kirche Steiermark | Foto: Ivan Rajic
Helmut Kirchengast ist Theologe, Ombudsmann und Referent für Weltanschauungsfragen in der Diözese Graz-Seckau | Foto: Neuhold
Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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