Positionen - Elisabeth Wimmer
Gehen mit Franz

Damals war er ein Star in katholischen Jugendkreisen und jahrelang das große Vorbild in unserem Freundeskreis: der heilige Franz von Assisi. Er war Thema unserer Gespräche, unserer Träume und unserer Auflehnung gegen alles, was wir als zu oberflächlich empfanden. Wir haben ihn ehrlich verehrt, aber auch nach Kräften romantisiert. Einfaches Leben mit möglichst wenig Besitz, ganz nah an der Natur … es schien uns recht einfach. (Dass sich von „Schwester Armut“ leicht reden lässt, wenn man wie wir ein selbstverständliches Zuhause mit Rundumversorgung genießt, ist uns im Überschwang kaum aufgefallen.)

Doch wir hatten kluge Seelsorger. Sie haben mit uns seine und seiner Brüder Texte gelesen und die darin zitierten Bibelstellen besprochen. Auf 10- bis 14-tägigen Wanderungen nach Assisi (lange bevor das Pilgern breites Interesse fand) haben sie uns in der Sommerhitze begleitet – wohl im Vertrauen, dass Fußwege, Schweiß und Atem ihre eigene Pädagogik entwickeln würden. Bis heute bin ich dafür dankbar und fühle mich von diesen Erfahrungen getragen.

Meine Vision vom einfachen Leben hat sich im Lauf der Jahrzehnte sehr verändert, doch sie hat mich nicht verlassen. Wie schön, dass es diese liebenswerte und gleichzeitig sperrige Gestalt in der Kirchengeschichte gibt: Wie Franz uns damals zum Gehen und zum Beten motivierte, hat er vermutlich viele träumerische Suchbewegungen aufgefangen, gelenkt, ihnen Wurzeln angeboten und eine Zeiten überschreitende Gemeinschaft. Er hat mir einen glühenden Funken eingepflanzt, der mich wärmt und antreibt. Ganz lebendig.

Elisabeth Wimmer

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ