Weisser Sonntag | 7. April 2024
Meditation

Foto: Jamie Street/Unsplash

In Gedanken verloren

Ein wesentliches Credo unserer Zeit heißt vorankommen. Schon von klein auf werden wir angetrieben, gerade langsame Kinder (Menschen!) haben es schwer: „Jetzt mach mal weiter!“, ist ein Appell, den sie oft hören werden. Ihr Leben, ihr Tempo, ihr Verweilen stehen noch quer zur Geschäftigkeit und Geschwindigkeit der Erwachsenen. Gleichzeitig brauchen wir heute genau das wieder, was wir unseren Kindern langsam, aber sicher austreiben: Langsamkeit, Versenkung in das gegenwärtige Tun, Präsenz, Sorglosigkeit, Leichtigkeit. ... Schon Jesus von Nazareth hat die Menschen aufgerufen, wieder so (präsent!?) wie Kinder zu werden, anstatt die Kinder uns gleich zu machen, sie unnötig anzutreiben, nur weil wir selbst so getrieben sind. Uns Erwachsenen geht es darum, möglichst schnell weiterzukommen. Im Alltag mit unseren To-do-Listen genauso wie für unsere äußerlich sichtbare Entwicklung im Leben (Karriere?). Gerade in jungen Jahren können wir nicht schnell genug weiterkommen, aber selbst in der Pension haben Menschen oft mehr Stress als in ihrem Berufsleben.

Wenn ich mit Erwachsenen arbeite und ihnen ein Bild davon geben möche, was Achtsamkeit ist, arbeite ich gern mit einer Zeichnung, die in der Mitte einen Menschen zeigt, neben ihm ist ein Hund. Die Landschaft vor ihnen zeigt Sonne und Bäume. Eine Gedankenblase über dem Kopf des Menschen versammelt alle möglichen Dinge, vom Auto über Socken, ein trauriges Gesicht usw. Die Blase über dem Kopf des Hundes zeigt allein Sonne und Bäume. Unter dem Bild steht ursprünglich das englische Wortspiel: „Mind full or mindful?“, deutsch „Geist voll oder achtsam (wörtlich ‚geistvoll‘)?“ – um es flapsig zu übersetzen: „Birne voll oder ganz da?“ Ich lege aber statt dieses Untertitels gern den monumentalen Satz von Eckhart Tolle darunter: „Menschsein bedeutet in Gedanken verloren sein.“ Im englischen Original steht: „The human condition: lost in thought“. Die Bedingungen des menschlichen Lebens zwingen den Menschen beinahe ständig in Gedanken, woanders zu sein als dort, wo er sich körperlich gerade aufhält.

Aus: Hellwach am Leben von Steve Heitzer, Tyrolia-Verlag 2024.(Buchtipp in Nr. 13)

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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