Lebensjahr 2008 - Impulse | Teil 04
Wir können es nicht aufhalten
Sie arbeiten als buddhistischer Religionslehrer. Welche Werte wollen Sie Ihren Schülern auf ihrem Lebensweg mitgeben?
Ich will, dass sie grundlegendes Glück in sich selber entdecken. Sie sollen während ihres Lebens lernen, das ständige Haben und Erreichen-Wollen abzulegen und das, was in ihnen da ist, zu verwirklichen. Ich will ihnen Freundschaft und Gemeinschaft vermitteln, sie durch Fragen herausfordern und zum Nachdenken bringen. Durch Spiele und Theater sollen sie sich selbst zum Ausdruck bringen können und sich selbst nicht als etwas anderes darstellen, als sie sind. Das sind Werte, die in unserem Arbeitsleben zu kurz kommen.
Wofür setzen Sie sich mit Ihrem Leben ein?
Ich habe mich in meiner Jugend in der Friedensbewegung engagiert. Dabei habe ich Unrecht und Unterdrückung kennen gelernt. Menschen können und dürfen sich in vielen Ländern dieser Welt nicht selbst ausdrücken, so wie sie sind und sein wollen. Wir müssen daher Liebe und Güte entwickeln. Die Liebe ist die große Kraft, damit sich Menschen entfalten können. Liebe heißt aber nicht „immer lieb sein“. Manchmal brauchen die Menschen auch klare Grenzen.
Wodurch wird das Leben der Menschen bedroht?
Eine Bedrohung für uns ist ganz sicher die Umweltproblematik in allen ihren Facetten. Unser Wirtschaften ist völlig unangemessen. Wir können doch nicht mehr nehmen, als uns die Umwelt geben kann. Man profitiert durch das Leiden anderer, indem man Tiere schlachtet, Menschen ausbeutet, sie in die (Lohn-)Sklaverei und Unterordnung bringt. Auch durch Unachtsamkeit oder Unwissenheit erzeugtes Leiden bedroht unser Leben immer wieder.
Wie kann man dagegen arbeiten?
Indem wir Gier, Hass und Unwissenheit ablegen. Wir sollen alles daran setzen, das Festhalten an unserer Illusion über dieses Leben, das Ablehnen von Veränderung unserer Ansichten und das Nicht-Wissen(-Wollen) zu beseitigen.
Wie erklären Sie sich Leid?
Leben ist vergänglich und stets der Veränderung unterworfen. Daraus entsteht Leiden. Die Ursache des Leidens ist wiederum Unwissenheit, Gier und Hass. Leiden hört auf, wenn man in Gleichmut verweilt.
Was sagen Sie einem kranken Menschen?
Der Buddhismus sieht Krankheit als ein Ungleichgewicht der Körperenergie und der geistigen Einstellung. Man soll lernen, damit zu leben. Krankheit ist eine Chance, die helfen soll, an mir zu arbeiten. Krankheiten, die zu mir kommen, sind selbst verschuldet durch Unachtsamkeit. Gebe ich mich ihnen hin, verliere ich mein Leben. Meine Aufgabe ist es, dagegen zu kämpfen, das Gleichgewicht wieder herzustellen, die Verantwortung für mich und mein Heilsein zu übernehmen.
Was sagt der Buddhismus zum Tod?
Wir können das Leben nicht aufhalten, das Leben ist nichts Beständiges. Wir müssen lernen, damit umzugehen. Wir dürfen den Tod nicht als Strafe wahrnehmen und uns nicht an das Leben klammern. Wir Buddhisten sehen den Tod als Übergang in eine andere Manifestation oder in das vollständige Erlöschen.
Und wie geht der Buddhismus damit um, wenn Tod erwünscht wird?
Es ist wertvoller, das Leben zu erhalten, als es zu vernichten. Wir müssen daher lebensfreundliche Bedingungen schaffen. Indem ich Leben erhalte, gebe ich anderen die Chance, diese kostbare Gelegenheit wahrzunehmen. Leben ist Selbstzweck, man darf es nicht anderen Zwecken unterordnen.
Gilt das auch beim Wunsch nach Abtreibung?
Hier ist der Buddhismus etwas liberaler als der Katholizismus. Bei uns ist die Selbstverantwortung ein Prinzip. Aber ich muss die Konsequenzen beachten und darf solche Entscheidungen niemals leichtfertig treffen.
Wie stehen Sie der Euthanasie gegenüber?
Wenn der Mensch keine lebenswerte Umstände, kein klares Bewusstsein und kein würdevolles Leben mehr vorfindet, dann dürfen die Maschinen abgeschaltet werden. Diese Aussage darf aber nicht als Aufforderung verstanden werden, und es ist damit keine aktive, sondern passive Sterbehilfe gemeint. Entscheidend dafür ist der buddhistische Wunsch, den Tod in klarem Bewusstsein zu erleben.
Wie wünschen Sie sich Ihren eigenen Tod?
Ich möchte ihn in Zufriedenheit erleben. Unter Zufriedenheit verstehe ich kein Zurückblicken, sondern einen Zustand, der mit Glücklichsein und Gleichmut verbunden ist. Dem geht die lebenslange Übung voraus, jeden Augenblick als den letzten zu erleben.
Welche Botschaft zum Leben findet man nur im Buddhismus?
Er ruft ganz radikal zu Gewaltlosigkeit auf. Freilich, auch Jesus hat davon gepredigt. Der Buddhismus weitet diese Forderung aber auf jedes Leben aus. Für strenge Buddhisten ist der Vegetarismus daher eine Lebenshaltung, um zum Ausdruck zu bringen, dass man jedes Leben schätzt und unterstützt.
Verliert das Leben nicht an Wert, wenn man – wie im Buddhismus – weiß, dass es nicht nur eines davon gibt?
Im Buddhismus ist das Leben ein ständiger Strom. Das eigentliche Ziel unseres Lebens ist aber das Erwachen. Das soll möglichst noch in diesem Leben geschehen, sonst müssen wir wieder von vorne anfangen. Dadurch bekommt das Leben jetzt Kostbarkeit.
Worüber möchten Sie mit Christen diskutieren?
Über das Erlernen und Praktizieren von Liebe und Mitgefühl. Wenn wir Liebe nicht entwickeln, wird sie nicht geschehen. In meiner Arbeit mit Behinderten ist ein Rollstuhlfahrer durch beharrliche liebevolle Zuwendung wieder aufgestanden. Bloße Liebe hat ihn dazu motiviert. Ich glaube, dass Christen sofort darauf ansprechen würden, aber manchmal glauben sie selber nicht genug daran. Es liegt aber in unserer Hand, Liebe zu entwickeln. Wir können gemeinsam daran arbeiten. Das möchte ich gern diskutieren.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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