APROPOS Jesus | 60 Fragen - 60 Antworten
57. War Jesus katholisch?

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Wenn man „katholisch“ wie „evangelisch“ und „orthodox“ als Konfessionsbezeichnung versteht, muss man sagen: nein. Denn christliche Konfessionen gab es zur Zeit Jesu noch nicht.

Anders ist das, wenn man von der ursprünglichen Bedeutung des Wortes „katholisch“ ausgeht: universal, offen für alle, aus der Fülle Gottes lebend. In diesem Sinn war Jesus ohne Zweifel „katholisch“. „Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen“, sagt das Johannesevangelium (1,16). Weniger feierlich ausgedrückt: Jesus hat uns alles gebracht, was wir brauchen, um sinnvoll glauben und lieben, leben und sterben zu können. Die christliche Kirche ist immer nur in abgeleiteter Weise katholisch. Sie lebt von dem Auftrag, die in Jesus Christus geschenkte Fülle allen Menschen aller Zeiten und Orte weiterzugeben: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung!“ (Mk 16,15) Dass sie dabei gegen den Willen Jesu oft engstirnig geworden ist und die Freiheit der Menschen nicht immer hinreichend respektiert hat, gehört zum Schatten ihres Wirkens und trübt ihre praktische Katholizität.

Jene Kirche, die man üblicherweise katholisch nennt, weiß, dass nicht nur in ihr, sondern auch in den anderen christlichen Kirchen und Konfessionen das Bemühen um Katholizität im ursprünglichen Sinn lebendig ist. Sie arbeitet mit ihnen ökumenisch zusammen und lernt viel von ihnen. Andererseits zählt sie manches zur unverzichtbaren Fülle des Katholischen, das andere Konfessionen für entbehrlich oder gar falsch halten (z. B. das Bischofsamt, wie es sich schon in der Frühzeit der Kirche entfaltet hat; die Untrennbarkeit von Eucharistie und geistlichem Amt; den Glauben an die wirkliche und dauerhafte Gegenwart Christi in den eucharistischen Gaben; den universalen Petrusdienst usw.). Solche Unterschiede sind derzeit (noch) schmerzliche Hindernisse auf dem Weg zur vollen christlichen Einheit. Werden sie eines Tages überwunden sein oder so verstanden werden können, dass sie die Kirchen nicht mehr voneinander trennen? Viele hoffen das.

Geht man vom ursprünglichen Sinn der Konfessionsbezeichnungen aus, kann man sagen: Jesus ist „katholisch“, aber auch „evangelisch“, denn er hat das Evangelium verkündet, und auch „orthodox“, denn von ihm kann man lernen, wie man Gott so „richtig“ vertraut und ihn „in rechter Weise“ verehrt (griechisch orthodoxia = Rechtgläubigkeit, richtige Verehrung).

Karl Veitschegger

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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