APROPOS Jesus | 60 Fragen - 60 Antworten
54. Welche Rolle spielte Paulus für die junge Jesusbewegung?

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„Ich bin Jesus, der Nazoräer, den du verfolgst …
Brich auf, denn ich will dich in die Ferne zu den Heiden senden! (Apg 22,8.21)
Paulus spielte eine große Rolle in der jungen Jesusbewegung. Die weitreichenden Folgen seines aufopfernden Tuns sind für die Urkirche von unschätzbarem Wert. Ohne Paulus gäbe es wohl kein Christentum im heutigen Sinne! – Aber warum?
Als strenggläubiger Pharisäer (vgl. Apg 26,4f.), der in der jüdischen Diaspora aufgewachsen ist, will Paulus zunächst nichts von der „jüdischen Sekte“ rund um den gekreuzigten Nazarener wissen. Ganz im Gegenteil, er verfolgt sie sogar blutig. Als mondäner Mann aus Tarsus mit römischem Bürgerrecht hat er eine gute jüdische Bildung genossen und steht hundertprozentig hinter der Lehre der Pharisäer! Er ist Schüler des angesehenen Rabbis Gamaliël (vgl. Apg 22,3), weshalb es ihm auch ein Leichtes ist, die Vollmacht der Hohepriester zu bekommen, um „viele der Heiligen [Anhängerinnen und Anhänger Jesu] ins Gefängnis“ zu bringen, wie die Apostelgeschichte (Apg 26,10f.) berichtet. Paulus steht nach seiner Bekehrung auch dazu und leugnet sein brutales Vorgehen gegen die junge Jesusgemeinde nicht: „Und wenn sie getötet werden sollten, stimmte ich zu.“ An die Christengemeinde in Galatien schreibt er: „Ihr habt doch von meinem früheren Lebenswandel im Judentum gehört und wisst, wie maßlos ich die Kirche Gottes verfolgte und zu vernichten suchte.“ (Gal 1,13; vgl. 1 Kor 15,9) Ob aus religiösem Fanatismus oder Angst, er lehnte die Lehre Jesu zunächst ab. Erst eine Erscheinung des auferstandenen Jesus, die ihn gleichsam überfällt und als „Damaskuserlebnis“ überliefert ist, ändert sein Leben von Grund auf (vgl. Apg 9,3–19; 22,6–16; 26,12–18). Der fanatische Verfolger wird zum Apostel.
Diese 180-Grad-Wende in seinem Leben stößt auf Unverständnis – unter den Jesusgläubigen, weil sie eine gewisse Zeit brauchen, ehe sie ihm trauen können, und erst recht unter seinen früheren Glaubensgenossen. Jüdische Oberhäupter reagieren zum Teil panisch und werden ihn später sogar festnehmen: „Israeliten! Kommt zu Hilfe! Das ist der Mensch, der in aller Welt Lehren verbreitet, die sich gegen das Volk und das Gesetz richten; er hat sogar Griechen in den Tempel mitgenommen und diesen heiligen Ort entweiht.“ (Apg 21,28)
Was steckt letztlich hinter diesem Vorwurf? – Paulus nimmt seinen Auftrag, den nichtjüdischen Völkern die Botschaft Jesu Christi zu bringen, einfach ernst. Einen Auftrag, der ihm – so sieht es Paulus – von Jesus selbst übertragen worden ist: „Er [Jesus] sagte zu mir [während des Gebetes in einer Art Verzückung]: „Brich auf, denn ich will dich in die Ferne zu den Heiden senden!“ (Apg 22,21) Damit begründet er seine aktive „Heidenmission“, wofür er weder Kosten noch Mühen scheut. Auch die jüdischen Gesetze – Beschneidung und strenge Speiseregeln sind unter „Heiden“ nicht beliebt – ist er gewillt, hintanzustellen bzw. gar aufzugeben, um die neugewonnene Anhängerschaft nicht vor den Kopf zu stoßen. Dagegen regt sich zuerst auch unter jenen jüdischen Jesusgläubigen Widerstand, die der Überzeugung sind, Heiden sollten zuerst Juden werden und sich zum Einhalten der ganzen Tora verpflichten, ehe sie sich der Jesusbewegung anschließen. Aber letztlich setzt sich Paulus durch: Petrus, der einflussreiche „Herrenbruder“ Jakobus und die Jerusalemer Urgemeinde bestätigen seinen Kurs.
Im Zentrum seiner Botschaft steht der gekreuzigte und auferstandene Jesus, der als Messias allen Menschen Rettung, Heil und ewiges Leben anbietet. Um das zu erlangen, müssen die Menschen keine Vorleistungen erbringen. Es genügt der Glaube, also das Vertrauen in die Liebe Gottes.
Paulus verkündet einen Christus, der für alle da und offen ist. Ausnahmslos!
Mit Leidenschaft setzt sich Paulus für diese Botschaft ein: Laut Apostelgeschichte führen ihn drei groß angelegte Missionsreisen bis nach Korinth und Rom. In einer Art „Work and Travel“-Situation besucht der gelernte Zeltmacher viele Städte entlang des gut ausgebauten römischen Hauptverkehrsnetzes, sucht Synagogen auf und kehrt in Hausgemeinschaften ein, in denen er oft auch mitarbeitet. So kommt er schnell mit Menschen ins Gespräch und gründet viele neue Gemeinden. Mit diesen „Kirchen“ pflegt er guten Briefkontakt und tauscht sich über vielerlei Glaubens- und Lebensthemen aus. – Seine Reisen sind nicht ungefährlich: Gefängnisaufenthalte, Misshandlungen durch Schläge, Peitschenhiebe oder Steinigung, erlittene Todesnöte, mehrere Schiffbrüche, Gefahren durch Flüsse oder Räuber, Beschwerden durch Schlafmangel, Hitze, Kälte, Durst, Hunger und vieles mehr (vgl. 2 Kor 11,23–28). Das alles nimmt er auf sich, um die Frohe Botschaft, das Evangelium von Jesus Christus, zu verkünden und im wahrsten Sinne des Wortes unter das Volk – oder besser: unter die Völker zu bringen. Und das gelingt ihm!
Irene Maria Unger


Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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