Positionen - Leopold Neuhold
Wie Schildkröten
„Der Mensch ist der Weg der Kirche“, so lautete das Motto des Sozialhirtenbriefs der österreichischen Bischöfe aus dem Jahre 1990. Christen machen sich gemeinsam und mit anderen auf den Weg. Dies kann kein strategisches Mitgehen sein, das nur den Eindruck erwecken will, mit den Menschen zu sein, dabei aber die Menschen nur dirigieren will.
Der synodale Prozess, der nun von Papst Franziskus gestartet wurde, ist ein Anstoß, miteinander einen Weg zu suchen. Wie die österreichischen Bischöfe es in ihrem Einladungswort zu diesem Prozess formuliert haben: Es geht darum, mit Freimut zu sprechen und in Demut zuzuhören. Dieser Weg miteinander kann nicht erzwungen werden, sondern es bedarf einer neuen Achtsamkeit für die Mitmenschen, nicht nur dass wir uns tolerant uns selbst gegenüber verhalten. Vor allem bedarf es dazu der Gelassenheit, die den Menschen als solchen wahrnimmt, wie er ist, und nicht als den, wie wir ihn sehen wollen. Zu leicht ziehen sich dann die Menschen in sich selbst zurück.
Ein kleiner Junge, auf Besuch bei seinem Großvater, fand eine Schildkröte. Diese aber zog sich in ihren Panzer zurück, als der Bub sie untersuchen wollte. Der Großvater nahm die Schildkröte mit ins Haus und setzte sie auf den warmen Kachelofen. Durch die Wärme angeregt, ging das Tier aus sich heraus und auf den Jungen zu.
„Menschen sind manchmal wie Schildkröten“, sagte der Großvater. „Man darf sie nicht zwingen, aus ihrem Panzer herauszukommen, aber man kann sie mit Wärme und Güte aus dem Panzer herausholen.“ Und vielleicht begeben wir uns dann auf einen gemeinsamen Weg.
Leopold Neuhold
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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