Offen gesagt - Anselm Grün, OSB.
Nähe erzeugen

Foto: Neuhold

Als Ordensmann haben Sie Erfahrung mit dem Allein-Sein. Was raten Sie Menschen, die – besonders seit Corona – einsam sind?

Die Pandemie hat uns mit unserer Sterblichkeit konfrontiert. Für die frühen Mönche war es eine Übung, sich täglich den Tod vor Augen zu halten. Diese Übung sollte uns nicht Angst machen, sondern im Gegenteil: Sie lädt uns ein, jeden Augenblick bewusst zu leben. Denn jeder Augenblick könnte der letzte sein.
Es ist gut, wenn ich meine Zeit strukturiere. Ich kann nicht den ganzen Tag nur mich aushalten. Ich soll dem Tag eine gute Struktur geben. Ein guter Rhythmus hält mich lebendig und wach. Dann habe ich das Gefühl: Es ist eine erfüllte Zeit. Eine andere Hilfe ist auch, das Alleinsein in ein All-eins-Sein zu verwandeln. Ich spüre mein Alleinsein, aber ich gehe durch das Gefühl von Traurigkeit und Einsamkeit hindurch an den Grund der Seele. Und dort fühle ich mich eins mit allen Menschen und eins mit Gott.
Zu viel soziale Distanz tut uns nicht gut. Der Mensch lebt von der Nähe des anderen, von Berührung und Umarmung. So sollten wir lernen, innere Nähe zu spüren, wenn wir mit dem anderen sprechen, dass wir nicht nur oberflächlich sprechen, sondern aus dem Herzen sprechen. Das erzeugt auch Nähe.

Aus einem Interview von Daniel Seper in der Zeitschrift des Canisiuswerkes „miteinander“ 3–4/2021.


Anselm Grün, OSB.,
ist Benediktinerpater und Autor spiritueller Bücher.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ