Interview der Woche
Vor den Vorhang

- Am runden Tisch und – dem Anlass entsprechend – bei Faschingskrapfen fachsimpeln die evangelischen und katholischen „Experten“ Oliver Hochkofler, Josef Promitzer, Imo Trojan und Alfred Jokesch (im Uhrzeigersinn) launig und tiefschürfend über den Humor in der Kirche.
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Die Frohe Botschaft trifft auf menschliche Schwächen
Zum ökumenischen Kirchen-Kabarett-Gipfel trafen sich die evangelischen Kabarettisten Oliver Hochkofler und Imo Trojan mit ihren katholischen Kollegen Josef Promitzer und Alfred Jokesch.
Jokesch: Mit dem Begriff „Kirchenkabarett“ verbinde ich eher das Bild eines gequälten Lachens. Man bemüht sich zu zeigen: „Schaut her, wir sind zwar Kirche, aber wir können auch lustig sein.“ Wie erlebt ihr das?
Hochkofler: Es kommt auf die Art des Humors an. Unser Kabarett soll nicht entzweiend, wertend oder erniedrigend sein. Wir bemühen uns um einen Humor, der wertschätzend ist, der das Menschliche und das Miteinander in den Vordergrund stellt, der auf Wortwitz basiert und nicht andere durch den Kakao zieht.
Trojan: Das kann ich nur unterstreichen. Ich habe mir aktuell nach diesem schrecklichen Attentat in Villach die Frage gestellt: Darf man nach solchen Ereignissen – oder auch, während unweit von uns ein Krieg tobt – Kabarett machen? Und ich meine: Ja. Wir wollen damit ja auch Hoffnung vermitteln, die Freude, Hoffnung und Zuversicht, die wir aus dem Evangelium schöpfen dürfen. Es ist ein Mut-Mach-Kabarett – gerade auch in schweren Zeiten.
Das, worüber wir uns lustig machen, ist ja immer das Menschliche, das Leben in den Pfarrgemeinden, aber nie Gott oder Jesus. Das Kreuz ist für mich ein Tabuthema. Darüber mache ich keine Witze. Aber wir merken an vielen Reaktionen, dass es befreiend ist, darüber zu lachen, wo es unter uns menschelt – ob das Situationen in Sitzungen sind oder das Pfarrcafé. Da finden sich viele wieder.
Hochkofler: Es ist ja eine Frohe Botschaft, die unserem Glauben zugrunde liegt. Da soll und darf Humor schon auch Platz haben.
Trojan: Gemeinsames Lachen tut einfach gut. Gerade in der Kirche kann soviel Gutes entstehen, wenn man gemeinsam lachen kann. Ich glaube nicht, dass man sich mit Leuten, mit denen man einmal herzhaft gelacht hat, verfeinden kann.
Hochkofler: Wir erleben mit unserem Programm derzeit sehr viel Ökumene, aber auf einer Ebene, wo es nicht um Theologie oder Glaubensfragen geht. Wir sind viel in katholischen Pfarren unterwegs. Dabei wird auch der eigene Standpunkt relativiert.
Jokesch: Gibt es so etwas wie einen typisch katholischen und typisch evangelischen Humor?
Hochkofler: Das ist eine gute Frage, die ich gleich an unsere katholischen Kollegen weitergeben möchte. Seht ihr das so?
Promitzer: Ich nehme in der evangelischen Pastoral sehr viel Innovation wahr, wo man sich selbst nicht so tierisch ernst nimmt – etwa die „Harry-Potter-Gottesdienste“.
Jokesch: Humor hat ja auch die Funktion, dass man sich an der Obrigkeit abarbeiten kann. Und die hierarchischen Strukturen sind eben in der katholischen Kirche stärker ausgeprägt. Die Art und Weise, wie Amtsträger hier in Erscheinung treten, liefert mitunter viel Stoff für ein Kabarett.
Trojan: Katholische Witze sind sicher anders als evangelische Witze. Das Thema Zölibat etwa gibt da natürlich sehr viel her. Auch Strukturen, Rituale oder eine übertriebene Sprechmelodie in der Liturgie bieten in der katholischen Kirche mehr Angriffsfläche.
Hochkofler: Wir wollen auch nicht nur unterhalten, sondern auch informieren. In unserem Programm erfährt man so Manches über das, was Kirche ausmacht, oder geschichtliche Zusammenhänge. Das finde ich so schön an diesem Projekt, dass Du Kirche auf sehr humorvolle Art zeigen kannst, dabei aber auch von ihr erzählen kannst.
Trojan: Auch den ökumenischen Aspekt haben wir ganz bewusst in unserem Programm. Man erfährt etwas über die katholische Kirche, die evangelischen Kirchen und auch über Freikirchen. Das ist uns wichtig, dass eine Horizonterweiterung stattfindet.
Hochkofler: Es kommen ja auch Leute zu uns, die sonst nie in eine Kirche gehen würden. Es ist mit ein Grund, warum wir das machen, damit sie Kirche auf einer Ebene erleben, wo sie offen sein können.
Jokesch: Bertolt Brecht hat einmal gesagt: „In einem Land leben, wo es keinen Humor gibt, ist unerträglich, aber noch unerträglicher ist es in einem Land, wo man Humor braucht.“ Was für ein Land ist für euch die Kirche? Braucht man Humor, um die Kirche zu ertragen? Hat Humor in der Kirche Platz?
Hochkofler: Das definitiv. Manchmal gibt es tatsächlich Situationen, wo ich mir denke: Gott sei Dank habe ich den Humor. Ich bin ja in verschiedenen Projekten in der evangelischen Kirche beteiligt. Da wünsche ich mir schon manchmal, dass jemand aufsteht und sagt: Ich entscheide das jetzt und wir ziehen das durch. Es gibt sicher Momente, in denen man Humor braucht, aber im Ganzen ist die Kirche für mich schon ein Ort, wo Humor sein darf.
Trojan: Er gehört einfach zu unserem Glauben systemimmanent dazu. Ich weiß nicht, wann diese Miesepetrigkeit entstanden ist.
Promitzer: Ich glaube, das hat mit dem Propheten Jona angefangen.
Jokesch: Ich sehe da schon Ursachen im Protestantismus und seiner puritanischen Ausrichtung in der Zeit um 1900.
Trojan: Das kann durchaus sein, was unseren Kulturkreis betrifft. Wir im deutschsprachigen Raum sind eben sehr verkopft. Im angloamerikanischen Raum ist das ganz anders. Wenn man Bücher oder Predigten aus der anglikanischen Kirche oder von manchen US-Theologen liest – diese Mischung aus Tiefgang und Humor ist sensationell!
Jokesch: Wenn ich innerhalb des kirchlichen Betriebs spüre, dass Humor und Ironie keinen Platz haben oder nicht verstanden werden, dass es als Frage des Mutes betrachtet wird, manche wunden Punkte überhaupt anzusprechen, da läuten bei mir sämtliche Alarmglocken. Da stimmt dann etwas nicht in der Organisation.
Trojan: Bei uns Evangelischen sind ja alle auf einer Ebene, Laien, Pfarrer, bis hin zum Superintendenten und Bischof. Diese Frage „Traut ihr euch das?“ habe ich bei uns noch nie gehört. Wir haben ja gewissermaßen die Rolle eines Hofnarren inne, der dem König sagen darf, was sonst keiner zu sagen wagt. Das aber auch nur, weil wir Insider sind. Wir würden kein Kabarett machen über eine andere Religion oder Kritik an einer anderen Kirche üben. Das steht uns nicht zu. Wir sind überzeugte Christen und Teil dieser Kirche. Wir kennen sie …
Jokesch: … und haben daher auch die Berechtigung, ja sogar die Pflicht, kritisch aufzuzeigen, wo wir etwas in eine falsche Richtung laufen sehen.
Trojan: Und die Kritik wird ja durch die Blume geäußert, in einer konstruktiven, liebevollen Weise. Es ist kein Schlechtmachen, sondern ein Aufrütteln, ein Weckruf: Hey, wacht auf!
Hochkofler: Wir haben durch unsere Auftritte auch viele Würdenträger getroffen – katholische, evangelische und auch freikirchliche. Und es war für uns beeindruckend, wie ökumenisch die alle denken. Der Glaube und die Frohe Botschaft eint uns ja. Und es kommen auch sehr viele Leute, die mit der Kirche per se nicht viel am Hut haben. Es ist auch das Interesse an unserer abendländischen Kultur, an unserer Identität.
Trojan: Es geht auch um das Brückenbauen zwischen den Konfessionen. Das gelingt im Kabarett auf sehr ungezwungene Art. Ich bin überzeugt, dass dies viel zur Ökumene beiträgt.
Promitzer: Was sind für euch humoristische oder kabarettistische Vorbilder?
Hochkofler: Ich habe damals begonnen mit den Hektikern, mit Mini Bydlinski. Das hat mir getaugt. Ich finde aber einen Loriot genauso genial wie einen Otto Waalkes und kann mich bei Viktor Gernot und Niavarani ebenso königlich unterhalten. Ich kann mir von jedem etwas abschneiden – und wenn es nur bei einer schlechten Pointe die Freude und Selbstverständlichkeit ist, mit der sie präsentiert werden. Andere zum Lachen zu bringen war für mich immer schon das Schönste. Wie ist das für euch?
Jokesch: Für mich ist es das Zweitgrößte, das man durch Theater in einem Menschen bewirken kann, wenn er sich vor Lachen gar nicht mehr einkriegt. Noch größer ist nur, wenn eine Darbietung tiefe Erschütterung auslöst, so etwas wie Katharsis, eine innere Läuterung.
Hochkofler: Es kann auch das Lachen zum Überdenken bestimmter Sichtweisen führen wenn man erlebt, dass man auch ernstere Themen in einer lockeren Weise und mit Humor betrachten kann.
Jokesch: Ich frage mich aber schon, ob der Humor bloß ein Ventil ist, um Spannungen abzulassen, und damit eher systemstabilisierend wirkt, oder ob er tatsächlich Veränderungen auslösen kann.
Hochkofler: Ich glaube durchaus, dass Humor so etwas bewirken kann. Aber vielleicht braucht es manchmal – wie so oft im Leben – mehrere Anstöße. Ich erlebe oft, dass Veränderung kein punktuelles Ereignis ist, sondern durch eine Kulmination verschiedener Anlässe geschieht. Und Humor kann einer davon sein.
Trojan: Es ist ein Puzzlestein. Allein mit einem Witz in der Kirche kannst du die Welt nicht retten oder dafür sorgen, dass die Kirchen plötzlich voll sind. Es sind viele Mosaiksteinchen, innovative Aktionen, die Kirche ein anderes Gesicht geben. Da müssen wir dranbleiben, denn die Menschen sind wirklich verzweifelt und hoffnungslos. Und das Evangelium ist schon eine coole Botschaft. Ich sehe darin eine ganz große Chance, dass die Kirchen in unserer Zeit mit all ihren Verunsicherungen zu einem positiven Gegenpol werden.
Jokesch: Religion und Humor ist freilich ein sehr explosives Gemisch. In einem Kirchenraum Kabarett zu machen ist nicht ganz unproblematisch. Wo hört sich bei euch der Spaß auf?
Hochkofler: Der Raum steht für mich in keinem Widerspruch, solange die Art des Humors positiv und pietätvoll ist. Wo der Respekt vor dem Glauben, etwa vor dem Kreuz oder der Person Jesu, verletzt wird, da wäre für mich eine Grenze überschritten. Sich darüber lustig zu machen, ist für mich ein absolutes No-Go. Wenn du die Ebene der Wertschätzung verlässt, dann wird es problematisch.
Trojan: Ich denke zum Beispiel auch an Märtyrer, an Menschen, die für ihren Glauben in den Tod gegangen sind. Und die Zahl der verfolgten Christen ist heute so groß wie noch nie. Darüber würde ich nie einen Witz machen. Und die Frage des Raumes stellt sich aus evangelischer Sicht auch anders. Für uns ist der Kirchenraum ein Versammlungsraum, kein geweihter, heiliger Ort. Und auch im Kabarett geht es ja darum, Kirche zu erleben.
Jokesch: Ich habe auch ein Problem mit Leuten, die immer gleich „Blasphemie“ schreien, wenn Kirche oder Motive unseres Glaubens – vielleicht auch von Außenstehenden – thematisiert werden. Ich sehe das auch als Anfrage an unsere Praxis als Christen, als Rückmeldung, wie wir wahrgenommen werden, wie unsere Botschaft bei den Menschen ankommt. Das müssen wir uns schon gefallen lassen und können eigentlich dankbar dafür sein. Es hilft uns, unseren Auftrag als Kirche besser zu erfüllen.
Promitzer: Wir haben ja nicht die Absicht, Witze über Gott zu machen oder den Glauben zu verunglimpfen, bei uns geht es um die menschlichen Schwächen von Gottes Bodenpersonal. Und vieles, worauf wir Bezug nehmen, spielt sich ja tatsächlich im Kirchenraum ab.
Jokesch: Für mich sind es zwei Aspekte. Es bekommt das Programm einen anderen Charakter, wenn es in der Kirche gespielt und erlebt wird, aber es wird auch der Kirchenraum anders wahrgenommen. Auch das ist eine spannende und wichtige Erfahrung.
Veranstaltungstipps:
Aus ‚heiterem‘ Himmel
Mit der Kirche ums Kreuz. Kabarett von Oliver Hochkofler und Imo Trojan.
Steiermark-Termine, jeweils 19 Uhr:
8. März, Graz, ABC Andritz (Haberlandtweg 17)
29. März, Ranten, GH Hammerschmied
26. April, Graz, Münzgrabenkirche
9. Mai, Peggau, Evangelische Kirche.
Karten: Tel. 0650/3553 301, oliver-hochkofler.com
Hoffnungslos, aber nicht ernst
Ein kabarettistischer Klimacheck mit Alfred Jokesch und Josef Promitzer.
Auftakt für die Fastenaktionen der Katholischen Kirche Steiermark.
7. und 8. März, Franziskussaal im Franziskanerkloster, Franziskanerplatz 14, Graz, jeweils 19 Uhr.
Karten: Tel. 0316/8115 28, daniela.felber@graz-seckau.at


Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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