Ökumene
Die sichtbare Einheit im Blick
Zur Weltgebetswoche für die Einheit der Christen wirft Universitätsprofessor Bernhard Körner im Gespräch mit dem Sonntagsblatt einen Blick auf die Ökumene.
Zu Beginn provokant gefragt: Interessiert Ökumene heute noch jemanden?
Ich habe das Gefühl, dass das Interesse an Ökumene stark abgenommen hat – aber in diesem Sinn, dass für viele Menschen, die offen leben, das Thema über weite Strecken selbstverständlich geworden ist.
Ich erinnere mich zurück an meine Eltern, die überhaupt nicht feindselig waren, aber in eine evangelische Kirche sind wir nie hineingegangen. Als ich in Deutschland studiert habe, wurde mir von evangelischen Bauern erzählt, die zu Fronleichnam Mist ausgeführt haben, um die Prozession zu stören. Man war unfreundlich zueinander – auch von katholischer Seite.
Davon sind wir heute zum Glück im Großen und Ganzen weit weg. Aber immer wieder gibt es Befürchtungen, dass die Offenheit für „die Anderen“ vom wahren Glauben wegführt.
Zugleich schwindet das Interesse an Ökumene auch wegen zunehmender religiöser Unkenntnis. Für viele Menschen sind die Fragen, die hinter den Anliegen der Ökumene stehen, nicht mehr verständlich. Auch ernsthafte Christinnen und Christen fragen: „Was streiten wir über diese Kleinigkeiten?“, wissen aber nicht, welches Gewicht Kleinigkeiten oft haben können.
Was ist das Ziel von Ökumene?
Ökumene bezeichnet alle Bemühungen, die die sichtbare Einheit aller christlichen Kirchen zum Ziel haben. Wichtig ist dabei das Wort „sichtbar“! Was nämlich die geistliche Einheit betrifft, hat schon Papst Johannes Paul II. darauf hingewiesen, dass es eigentlich keine größere Einheit gibt als die, welche zwei Christinnen oder Christen verbindet, die ihr Leben für den Glauben an Christus geben – unabhängig, welcher Kirche sie angehören.
Dialog ist ein viel bemühtes Wort – was bedeutet es in der Ökumene?
Dialog heißt hier eben nicht „nur“ reden, sondern mehr. Das Ziel ist auch nicht die Kompromissfindung – kabarettistisch gesprochen: „Ihr habt sieben Sakramente – wir haben zwei – also einigen wir uns auf vier oder fünf.“ – So kann es nicht gehen. Beim Dialog in der Ökumene möchte ich vier Richtungen festhalten: Den Dialog des Lebens, dass wir als Nachbarn ganz selbstverständlich miteinander leben. Den Dialog des Handelns, dass wir uns gemeinsam für Verbesserungen in unserer Gesellschaft einsetzen. Den theologischen Austausch unter Fachleuten und den spirituellen Austausch, dass ChristInnen über ihren Glauben und ihre geistlichen Erfahrungen sprechen und miteinander beten.
Besonders diese letzte Form des Dialoges ist mir persönlich sehr wichtig. Ein Beispiel: Ich war öfter mit dem ehemaligen Superintendenten der Evangelischen Kirche Steiermark, Hermann Miklas, zusammen im Zug zu den ökumenischen Versammlungen unterwegs. Dabei haben wir nicht nur als Theologen an so manchem Problem gefeilt, sondern er hat mir auch seine persönliche Glaubensgeschichte erzählt – von Christ zu Christ. Sowas ermutigt im eigenen Christsein ungemein.
Was würden Sie als aktuellstes Problem in der Ökumene betrachten?
Kenner der Ökumene sagen, ein Problem ist, dass keine einheitliche Vorstellung darüber besteht, was das Ziel der Ökumene ist. Dazu kommen vor allem Fragen, die die Kirche, das Amt in der Kirche und die Feier der Eucharistie betreffen. Aber die Ökumene lebt! Sie ist kein homogener Vorgang, sondern geprägt durch vielfältige Bemühungen auf vielfältigen Ebenen: Dabei denke ich an die drei großen Europäischen Ökumenischen Versammlungen in Basel, Graz und Sibiu, an internationale theologische Studiengruppen, aber genauso an das Ökumenische Forum in der Steiermark, an selbstverständliche Ökumene in Pfarren, Schulen, in Gebetskreisen und Familienrunden.
Interview: Katharina Grager
Ökumene
Ökumene kommt aus dem Griechischen und heißt übersetzt „Erdkreis, die ganze bewohnte Erde“. Im Christentum versteht man darunter das Bemühen um eine weltweite Einheit aller christlichen Kirchen und Konfessionen.
Veranstaltungstipp:
Ökumenischer Gottesdienst zum Welttag des Judentums:
In der Stadtpfarrkirche in der Grazer Herrengasse wird am Montag, 17. Jänner, um 19 Uhr anlässlich des Tages des Judentums zu einem ökumenischen Gottesdienst eingeladen. Er steht unter dem Motto „Lebensmut – Königin Esters Weg aus der Krise“. Die Predigt dazu hält Univ.-Ass. Dr.in Edith Petschnigg. Für die musikalische Gestaltung sorgt Shira Karmon.
Einladende zu diesem Gottesdienst sind das Ökumenische Forum christlicher Kirchen in der Steiermark, die evangelische Pfarrgemeinde Heilandskirche, die römisch-katholische Stadtpfarre Graz und das Grazer Komitee für christlich-jüdische Zusammenarbeit.
Näheres zum Welttag des Judentums und seiner Bedeutung finden Sie hier.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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