Gelebter Glaube
Das Kreuzzeichen im Alltag
Vor einer Kapelle, vor Mahlzeiten, beim Brotbacken, bei Autofahrten, wenn Kinder das Haus verlassen und natürlich bei den Gottesdiensten – das Kreuzzeichen ist bei vielen Menschen in unserer Diözese bei verschiedenen Anlässen fest verankert. Vielen ist es ein Anliegen, das Kreuzzeichen an die nächste Generation weiterzugeben.
Wenn ich ein Brot anschneide, dann mache ich zuerst darüber ein Kreuzzeichen“, erzählt Karl Wurzer, der sich in der Pfarre Winklarn engagiert. Er sei dankbar für das Brot, es erinnere ihn auch an das Letzte Abendmahl. Das Brot ist vielen Menschen heilig. Gabi Thaller vom Wurmhof in Zwettl vermittelt das als „Brotbotschafterin“ in besonderer Weise. Sie lehrt in rund 40 Kursen pro Jahr bis zu jeweils 15 Personen das Brotbacken und dabei ruft sie auch christliche Werte ins Bewusstsein. Kreuz und IHS-Stempel gehören dazu, so Thaller. Das Christusmonogramm IHS leitet sich von den ersten Buchstaben des Namens Jesu in griechischen Großbuchstaben ab. Das Brotbacken erde, so die Bäuerin, und ihren Kursteilnehmern seien Werte meist sehr wichtig.
Das Kreuzzeichen ist bei vielen nicht wegdenkbar: vor Mahlzeiten, vor der Abfahrt mit dem Auto und natürlich bei Gottesdiensten. Manche machen es verborgen, gar nicht so wenige beiläufig, um schnellen Segen zu erbitten, und andere setzen damit in der Öffentlichkeit bewusst Zeichen, um ihren Glauben auszudrücken.
Bei Sportlern sieht man das oft. Besonders bei Fußballern aus Lateinamerika und Afrika falle es ihm auf, wenn diese eingewechselt werden, so Franz Richter, Pfarrer von Krems-St. Veit und Sprecher der diözesanen Fußballmannschaft „Hochwürden & Co“. Es solle beim Kreuzzeichen nicht darum gehen, von Gott bevorzugt zu werden, sondern um dessen höhere Ehre, macht der „Sportpfarrer“ klar. Das Kreuz solle jedenfalls nicht als Ritual des Aberglaubens eingesetzt werden.
Bei vielen Familien ist es gute Tradition, vor dem Essen ein Gebet zu sprechen und sich zu bekreuzigen. Markus Mucha, sechsfacher Familienvater und Vorsitzender des diözesanen Katholischen Familienverbandes sagt: „Wir danken mit Gebet und Kreuzzeichen dafür, dass wir in einem gesegneten Land leben und gutes Essen haben.“
Kreuzzeichen bei Marterl
Viele Menschen bekreuzigen sich auch vor einer Kapelle. So hat es etwa Pfarrer Josef Zemliczka, Leiter des Pfarrverbandes Gars am Kamp, von seiner Mutter gelernt. Pater Josef Grünstäudl, Benediktiner des Stiftes Altenburg und Pfarrvikar des Pfarrverbandes im Horner Becken, erzählt die Bedeutung des Kreuzzeichens, wie sie in vielen Familien vorfindbar war und ist: „Ich bin das älteste von acht Kindern. Unsere Mutter hat uns jedes Mal beim Verlassen des Hauses ein Kreuzzeichen mit Weihwasser auf die Stirn gegeben. Sie hat auch jeden neuen Brotlaib mit einem Kreuzzeichen angeschnitten.“ Das Kreuzzeichen vor einer Kapelle ist ebenfalls verbreitet: „Wenn ich bei einem Marterl vorbei gegangen bin, dann habe ich immer ein Kreuzzeichen gemacht. Der Vorbeter in unserem Dorf hat ein Marterl errichtet zum Dank, dass er gut vom Krieg heimgekommen ist. Jeden Tag bin ich als Kind zwei Mal an diesem Marterl vorbei gegangen und habe ein Kreuzzeichen gemacht zum Dank dafür, dass ich keinen Krieg erleben musste. Ich mache heutzutage noch immer ein Kreuzzeichen zum Dank, wenn ich an einem Marterl vorbeigehe oder mit dem Auto vorbeifahre.“ P. Josef erzählt: „Oft konnte ich in der Grabeskirche in Jerusalem an dem Platz stehen und beten, wo Christus am Kreuz gestorben ist – eine Erfahrung, die mir ein Leben lang bleiben wird.“
Kindern Kreuzzeichen zeigen
Der Papst bittet die Eltern: „Bringt euren Kindern bei, wie man das Kreuzzeichen richtig schlägt!“ Kürzlich beklagte sich Papst Franziskus bei einer Audienz, dass viele Kinder das Kreuzzeichen zu hektisch machen würden. Die Erwachsenen müssten ihnen zeigen, wie man es richtig ausführe. Religionslehrerinnen wie Christina Thür machen oft die Erfahrung, dass Kinder das Kreuzzeichen erst im Religionsunterricht und nicht in der Familie lernen. Sie lehrt das Kreuzzeichen an der Volksschule Traisen spielerisch. „Ich muss es spiegelverkehrt vormachen, sonst lernen sie es gleich falsch“, lacht Thür. Nach einiger Zeit setzen die Kinder es korrekt. Wenn sie es immer zu Stundenbeginn machen, „geht bald der Knopf auf“. Vielfach bleibe der Heilige Geist ein Rätsel, Vater und Sohn seien einfacher erklärbar.
Biblisch belegbar ist das Kreuzzeichen nicht. Aber das, was wir dazu sagen bzw. denken, steht schon in der Bibel: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,19). „Die Kirche empfiehlt, den Tag mit einem Kreuzzeichen zu beginnen und zu beenden. Wir bezeichnen uns mit dem Kreuz selbst oder einander, wenn wir uns gegenseitig Gottes Segen wünschen oder Gott danken“, erinnert die Katholische Jungschar. Die Kinderorganisation erklärt die Bedeutung: „Beim großen Kreuzzeichen berühren wir mit den ausgestreckten Fingern unserer rechten Hand zuerst unsere Stirn, dann unsere Brust, die linke und schließlich die rechte Schulter und sprechen dazu ,Im Namen des Vaters (Stirn), des Sohnes (Brust) und des Heiligen Geistes (Schultern)‘.“ Beim kleinen Kreuzzeichen zeichnen wir uns mit dem Daumen ein kleines Kreuz auf die Stirn, dann über den Mund und schließlich auf die Brust. „Vor dem Evangelium etwa möchten wir damit ausdrücken, dass wir das Wort Gottes verstehen, weitererzählen und in unser Herz einlassen möchten bzw. dass Gott unser Denken, Sprechen und Handeln segnen möge“, heißt es von der Jungschar auf ihrer Website.
Kreuz beim Hausverlassen
Auch Edith Habsburg-Lothringen ist das Kreuzzeichen ein großes Anliegen. Die Vorsitzende der diözesanen Seniorenpastoral gibt ihren Enkelkindern und Kindern gerne ein Kreuzzeichen als Zeichen des Segens. Wenn sie diese nicht sehen kann, dann „sende ich den Segen geistigerweise hinterher“. Gerade in der Früh und am Abend seien ihre Gedanken besonders bei ihnen. Die sechsfache Mutter und 18-fache Großmutter aus Seitenstetten freut sich, dass das Bewusstsein um Segen bei ihren Kindern gut weitergeführt wird. Bei den Segensfeiern der diözesanen Seniorenpastoral rund um den 1. Oktober ist es auch gute Tradition, dass die Teilnehmer einander ein Kreuzzeichen spenden. Habsburg-Lothringen lädt dazu ein, in der Partnerschaft einander das Kreuzzeichen zu machen. Sie ist sicher, dass es Segen bringt, wenn Eltern oder Großeltern den Kindern beim Verlassen des Hauses das Kreuz spenden, vielleicht auch mit Weihwasser.
Das Kreuz – Torheit, Ärgernis und Zeichen der Erlösten
Lange Zeit vermieden es Christen, das Kreuz darzustellen oder unter diesem Zeichen öffentlich aufzutreten. Ihr ältestes Erkennungszeichen ist der Fisch, griechisch Ichthys. Darin steckt ein Bekenntnis: Jesus Christus, Gottes Sohn, Erlöser (griech. Iesous Christos Theou Yios Soter).
Im römischen Reich war die Kreuzigung eine derart schmachvolle Hinrichtungsart, dass römische Bürger nicht dazu verurteilt werden durften. In Unruheprovinzen war sie ein abschreckendes Beispiel für Aufrührer. Das griechische Wort „stauros“ bezeichnet einen aufgerichteten spitzen Pfahl, an dem zur Hinrichtung ein Querbalken befestigt wurde. In einer Wachtstube des Kaiserpalastes auf dem Palatin in Rom wurde eine in Stein geritzte Zeichnung (um 125 n. Chr.) freigelegt, die einen Gekreuzigten mit Eselskopf zeigt. Davor steht eine Person, die diesen Hingerichteten anbetet. Die Inschrift lautet: „Alexamenos verehrt seinen Gott.“ Bei dem antiken „Graffiti“ handelt es sich offenkundig um die Verhöhnung des Glaubens eines christlichen Soldaten.
Ein Gott am Kreuz? Um dieses Paradoxon hat schon sieben Jahrzehnte davor der Apostel Paulus gerungen: „Das Wort vom Kreuz ist denen, die verlorengehen, Torheit; uns aber, die gerettet werden, ist es Gottes Kraft“, schreibt er den Korinthern. Er wird nicht müde, „Christus als den Gekreuzigten“ zu verkünden, „denn das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen und das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen“ (1 Kor 1,18-25). Und an die Christen in Galatien schreibt er: „Ich aber will mich allein des Kreuzes Jesu Christi, unseres Herrn, rühmen, durch das mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt“ (Gal 6,14). So steht es auch über dem Eingang zur Benediktihalle im Stift Melk „Absit gloriari nisi in cruce“ – „Es sei fern, sich zu rühmen außer im Kreuz“. Auch die Kanzel im St. Pöltner Dom thematisiert die paulinische Lehre von der Erlösung durch das Kreuz: „Nos autem praedicamus Christum crucifixum“ – „Wir verkünden Christus, den Gekreuzigten“. Das Kreuz führt in die Mitte des Glaubens, es gehört zur christlichen DNA. Es ist zudem ein uraltes Symbol für den Menschen, der mit ausgestreckten Armen ein Kreuz bildet. „Das Kreuz auf sich nehmen“, ist in den Evangelien gleichbedeutend mit dem Ruf in die Nachfolge Jesu. Am Kreuz wird die Herrlichkeit Jesu offenbar, wenn der heidnische Hauptmann sagt: „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn!“ (Mk 15,39).
Erst recht kulminiert für den Evangelisten Johannes im Kreuz das gesamte Offenbarungsgeschehen. Das Kreuz ist nicht der Ort des gottverlassenen Jesus, sondern der Ort der Verherrlichung und des Sieges („Es ist vollbracht“, Joh 19,30). Jesus spricht von der „Erhöhung“ des Menschensohnes und davon, dass er „verherrlicht“ werden müsse. Das geschieht in seinem Tod am Kreuz und in der Auferstehung, die als Vollendung dieser Erhöhung verstanden wird. Die Formen des Kreuzes sind trotz der einfachen Grundstruktur äußerst vielfältig: mit einem, zwei oder drei Balken, in T-Form, als Malteser-, Krucken- und Andreaskreuz, aber auch missverständlich wie das Sonnenrad und missbraucht im Hakenkreuz. Kreuze im öffentlichen Raum sind Ziele von Zerstörungswut sowie (anti-)religiös motivierter Gewalt. Das Wort vom Kreuz ist kein Heilsautomatismus. Wer das Kreuz als Heil verkündet, muss sich auch der Frage nach der „menschlichen Verzweiflung an Gott angesichts der Leiden seiner Kreatur, angesichts der Untätigkeit und des Schweigens Gottes im millionenfachen Tod, angesichts der Sterbensqualen“ (Herbert Vorgrimler) stellen.
Wie das Zeichen des Fisches enthält auch das Kreuz ein Bekenntnis: Die Kreuzesinschrift INRI – Iesus Nazarenus Rex Iudaeorum – benennt den Gekreuzigten als „Jesus von Nazaret, König der Juden“. Er ist der erwartete Messias Israels, aber auch der Erlöser für alle, mit den Worten Simeons „ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein (Gottes) Volk Israel“ (Lk 2,32).
Autor:Wolfgang Zarl aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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