Kabarettreife Erlebnisse aus dem Pfarrleben
„Lieber ehrliche Werte statt leerer Worte“

Die Kernölamazonen zählen zu Österreichs bekanntesten Kabarettistinnen. Gudrun Nikodem-Eichenhardt (links) und Caroline Athanasiadis, Siegerin der „Dancing Stars“ im November 2021. | Foto: Julia Wesely
  • Die Kernölamazonen zählen zu Österreichs bekanntesten Kabarettistinnen. Gudrun Nikodem-Eichenhardt (links) und Caroline Athanasiadis, Siegerin der „Dancing Stars“ im November 2021.
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Kirche ist oft wie ein ­Kabarett. „Kernölamazone“ Gudrun Nikodem-Eichenhardt lässt ihre Kirchen­aktivitäten Revue passieren.

Ich war viel in der Kirche, hab meine Oma begleitet. Sonntagvormittag 10 Uhr. Pflichttermin. Ich war gut vorbereitet. Meine Mama, als Geschichtslehrerin dem Bauwerk Kirche und der Religion zugetan, lernte mit mir täglich am Weg zur Schule das „Vater unser“. Ich wollte ministrieren. Unser Pfarrer hat das nicht erlaubt. Fand ich ziemlich blöd. Da musste eine Alternative her, meine klassische Landkarriere nahm ihren Lauf. Nebst Ortsmusik war ich nun Teil der Jungschar. Während meine Oma noch immer am Kirchenbankerl saß, durfte ich mit der Musikkapelle „Großer Gott, wir loben dich“ vom Chor flöten oder im Altarraum mit der Jungschar „Ins Wasser fällt ein Stein“ singen. Definitiv ein Aufstieg. Ja, diese Zeit hat meine Jugend geprägt, nicht zum Schlechtesten. Eine der schönsten Wochen war das Jungscharlager in Hirschegg. Lustig, abenteuerlich, schön. Es wurde viel zur Herzensbildung beigetragen. Ich glaube, ich hab ganz viel gelernt, worauf es wirklich ankommt.

Anfang der 2000er-Jahre bin ich nach Wien gezogen. Meine Oma war verstorben, da wurde es still um die Kirche. Ich wurde Taufpatin meiner Nichte, war sehr stolz. Habe es nur zu wenig ernst genommen, mich zu wenig um eine gute Beziehung bemüht und kam als Firmpatin nicht mehr in Frage. Mir wurde wieder bewusst, wie wichtig diese Herzensbildung ist. Jene, die in der Stille entsteht. Wo man einfach nur da ist. Beziehung zu sich selbst erlebt und so erst lernt, gesund in Beziehung zu gehen.

Eine meiner liebsten Freundinnen ist Religionslehrerin. Ich liebe ihren Zugang zum Glauben, ihre Herzlichkeit, ihr Wollen und das, was sie zu geben hat. Sie ist mir ein großes Vorbild. Mit ihr hatte ich ein Herzens­projekt über. Sie war organisatorische, ich künstlerische Leiterin beim Musical „Franziskus“, beauftragt von der Pfarre Lannach, mit über 100 beteiligten Personen. Wieder war da dieses Gemeinschaftsgefühl gepaart mit dem Wissen, dass mein Wirken Sinn macht.
Dann hab ich mich mit dem Pfarrer angelegt. Vielleicht als kleine Revanche, weil ich nicht ministrieren durfte. Nein. Sicher nicht. War ja nicht mal der gleiche Pfarrer. Nur beider Gesinnung war gleich. Ich bat ihn, die Eröffnungsrede kurz zu halten, weil viele Leute warteten. Ich wusste, dass er sich selbst gerne reden hört. 50 Minuten dauerte die „kurze“ Rede. Die Erziehung meiner Mutter, mich Autoritäten zu fügen, hatte für mich nicht mehr im Ansatz irgendeine Bedeutung. Deshalb hab ich dem Pfarrer den Marsch geblasen. Kam bei ihm nicht so gut an. Verständlich. Er hatte wahrscheinlich noch nie mit so einem selbstbewussten Mädel zu tun, das sich von seinem Status nicht beeindrucken ließ und ihn an seinen menschlichen Werten maß.

Nach wie vor gehe ich gerne in die ­Messe, vor allem in die Wotrubakirche. Dort feiern und musizieren unterschiedlichste Menschen miteinander. Pfarrer Franz, leider schon verstorben, hat mit seinen leidenschaftlichen Predigten immer mein Herz berührt. Er war einer der Menschen, die für mich Kirche im besten Sinne verstanden und gelebt haben. Ich wünsche mir mehr davon. Eine Kirche, die es schafft, sich ihrer dunklen Seite zu stellen, daran zu wachsen lernt. Eine Kirche, die veraltete Prinzipien über Bord wirft, mit Menschen Orte schafft, die Trost spenden, ein Miteinander praktiziert und ehrliche Werte statt leerer Worte lebt. Eine Kirche, die wegweisend ist, ohne zu urteilen.

Einer meiner besten Freunde ist ­homosexuell. Er ist mit der Kirche aufgewachsen und immer wieder traurig, dass er oftmals ausgeschlossen wird. Wir reden viel darüber. Weil ein gleich großer Teil in ihm wie in mir die Erinnerung an diese Herzensbildung in sich trägt. Ich wäre für einen Podcast: Die Kirche und ihre Sexualität. Das wäre innovativ, mit Potenzial zu provozieren, aber auch um sich mit überholten Inhalten auszusöhnen. Oder heißt es schon auszutöchtern? Das wird noch dauern. Fangen wir lieber damit an, dass Frauen Pfarrerinnen werden dürfen. Da fällt mir noch eine Anekdote ein. Ende der 90er-Jahre habe ich selbst eine Beziehung zu einem Mann aus dem Priesterseminar gepflegt. Er ist nicht zur Weihe angetreten. Wir wurden aber nicht gemeinsam alt. Das Leben halt. Mit allem, was dazugehört. Höhen und Tiefen. Wer ist Schuld daran? Niemand. Ich ersetze das Wort Schuld gerne durch das Wort Verantwortung, da schaut die Sache ganz anders aus. Aber das ist eine andere Geschichte.

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