22. Sonntag im Jahreskreis | 1. September 2024
Meditation

Abendstimmung im Pfelderertal/Südtirol | Foto: Grager

Das Geräusch der Grille

Zwei Freunde, ein Indigener und ein weißer Amerikaner spazieren durch die Straßen einer belebten amerikanischen Stadt. Autos rauschen an ihnen vorbei, viele Menschen sind auf den Gehsteigen unterwegs. Da bleibt der indigene Mann stehen und fragt seinen Freund: „Hörst du das?“ Dieser antwortet verwirrt: „Was meinst du? Ich höre nur Autolärm …“ Der Indigene erklärt: „Da zirpt irgendwo ganz in der Nähe eine Grille!“ „Das kann nicht sein, ich kann nichts hören!“, antwortet sein Freund ungläubig. Der indigene Mann nähert sich einer mit Weinblättern bewachsenen Hausmauer, teilt die Blätter – und siehe da: eine Grille. Da kann sein weißer Freund sie auch hören: „Ja weißt du, ihr Indigenen, ihr hört einfach besser als wir!“ Sein Freund schmunzelt und schüttelt den Kopf: „Oh nein, das ist es nicht. Pass auf, ich zeig es dir!“ Er holt eine Münze aus seiner Tasche und wirft sie ein paar Meter vor ihnen auf den Gehsteig. Das Klimpern ist kaum lauter als das Zirpen der Grille. Doch einige vorbeieilende Menschen sehen sich um, und es dauerte nicht lange, bis sich einer bückt und die Münze einsteckt.

Es kommt nicht darauf an, wie gut unser Gehör ist. Wir hören stets das, worauf wir gewohnt sind zu achten. (Nacherzählt nach einer Kurzgeschichte von Frederik Hetmann.)
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Heißt es. Gewohnheiten geben Sicherheit. Es gibt wichtige Gewohnheiten, wie zum Beispiel Zähneputzen. Und es gibt schädliche Gewohnheiten, wie zum Beispiel das Wasser während des Zähneputzens laufen zu lassen. Die gute Nachricht: Gewohnheiten lassen sich ändern. Es ist zwar mühsam, aber mit motivierenden Gründen machbar.

Die Schöpfungszeit von 1. September bis 4. Oktober kann eine Motivation sein, die eigene Aufmerksamkeit mehr zum „Geräusch der Grille“ zu lenken – Schöpfungsimpulse an dieser Stelle wollen das in den nächsten Wochen begleiten. Wer sich in der Natur bewegt, betritt eine fremde Wohnung, formulierte kürzlich der Förster Peter Bedenk im Sonntagsblatt. Die „fremde Wohnung“ namens Schöpfung will ich mir vertraut machen. Und was du dir vertraut gemacht hast, weiß der kleine Prinz, dafür bist du ewig verantwortlich.

Katharina Grager

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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