3. Sonntag im Jahreskreis | 21. Jänner 2024
Meditation

Foto: Grager

Auf die Spur kommen

Viele Gebete „passieren“ unbewusst – einfach so zwischendurch, ungeschönt und ungereimt. Wenn das Leben unerwartet fragwürdig geworden ist, entstehen sie ganz unwillkürlich. Meist ist dann keine Zeit für schöne Formeln und Rituale. Ist auch nicht notwendig. Es geht nicht um das fromme Mascherl!

Papst Franziskus hat zu einem seiner atheistischen Freunde einmal gesagt: „Bete für mich, und wenn du nicht betest, dann sende mir zumindest gute Vibes.“ Darauf bekam er die Antwort: „Vorerst sende ich dir gute Vibes.“ Gute Schwingungen (englisch: vibes) zu verschicken, ist eine einfache, „weltliche“ Art des Betens, aber äußerst liebevoll. Beten heißt, die Verbundenheit untereinander stärken – ein starker Ausdruck für Liebe. Darauf kommt es an, ob wir religiös sind oder nicht.

Auch Streitgespräche mit der „höheren Macht“ haben ihre Bedeutung. Gott ist kein leicht zu kränkendes oder rasch beleidigtes Ego. Er fällt buchstäblich nicht aus allen Wolken, wenn der Mensch seine unfrommen Gedanken zum Himmel schleudert. Entscheidend ist die Absicht des Herzens, das innere Ringen. Ich bin auch überzeugt, dass zweifelnd fragende Menschen ein Segen für jene sind, für die scheinbar alles klar zu sein scheint. Die Fragen öffnen den Himmel.

Jedes Gebet, auch das theologisch bestens durchkomponierte Gebet, wird immer ein Stückwerk bleiben, ein mühsames Stammeln und Stottern. Selbst die geübten Beter und Beterinnen fangen immer wieder von vorne an – und gehen in die Stille. Auch ihnen fehlen die Worte, die wirklich in die Tiefe reichen und dem Geheimnis des Lebens auf die Spur kommen. Letztlich zählt immer die Liebe.

Hermann Glettler

Wer Gott aufgibt,
löscht die Sonne aus,
um mit einer Laterne
weiterzuwandern.
Es ist eines der tiefsten Worte:
Bei Gott ist kein Ding unmöglich.
Gott ist die Möglichkeit
aller Möglichkeiten:

Christian Morgenstern (1871–1914)

aus: hörgott. Gebete in den Klangfarben des Lebens, herausgegeben von Hermann Glettler, Verlag Tyrolia, 22023.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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