8. Sonntag im Jahreskreis | 27. Februar 2022
Meditation
Das Medi-Tier zähmen
Du musst dein Gebetsleben besser pflegen.“ Dieser Appell geht mir in regelmäßigen Abständen durch den Kopf, obwohl ihn mir niemand von außen aktiv zuruft. Es ist eher meine innere Perfektionistin, die gerne von sich sagen würde: „Ja, Gott und ich, wir sind total connected.“ Doch der Alltag spült meine Gebetsbemühungen oft schneller weg als die Klospülung unsere Hinterlassenschaften. Frei nach dem Werbeslogan „Es gibt immer was zu tun“ findet sich wirklich immer etwas, das eilig erledigt werden muss, sich in den Vordergrund drängt und unbedingt meine Aufmerksamkeit erfordert.
Alles ist scheinbar wichtiger, jedenfalls dringender als das Gebet. Diese Krux will ich beheben – schon ziemlich lange leider. Nun wittere ich wieder eine Chance. Die Fastenzeit, eine Zeit des Fokussierens auf weniger und Wesentlicheres, gibt mir jedes Jahr eine neue Möglichkeit, mich wieder mehr zu bemühen. Ich nehme mir vor, mich öfter an Gott zu wenden als nur beim Sonntagsgottesdienst oder wenn der Hut brennt. Gesagt, getan. Ich mache mich also auf die Suche nach dem Medi-Tier.
Was? Das kennen Sie noch nicht? Dieses kleine, mächtige, flüchtige, wertvolle und zarte Getier, dass einem helfen kann, zur Ruhe zu kommen, bei sich zu sein und dabei ins Gespräch mit Gott zu finden? Ja dann ist es höchste Zeit für eine Vorstellung: Das Medi-Tier ist, wie schon angedeutet, sehr scheu. Es liebt die Ruhe, aber auch berührende Musik. Das Medi-Tier kann Menschen durch seine außergewöhnliche Art in eine besondere Stimmung, in tiefe Entspanntheit und zugleich helle Aufmerksamkeit führen. Aber es ist wie gesagt sehr scheu und ziert sich. Unruhige Menschenmengen mag es nicht.
Der Lebensraum vom Medi-Tier ist noch weitgehend unerforscht. Aber folgende Vermutung hat sich erhärtet: Mit Gebeten kann man es anlocken. Dort, wo Menschen Zeit mit Gott verbringen, ist es am ehesten anzutreffen. Doch es bleibt schwer zu beobachten. Denn es ändert Aussehen und Form, je nach Umgebung. Chamäleongleich verschmilzt es mit gregorianischen Chorälen ebenso wie mit dem wummernden Bass eines Worship-Liedes oder vollem Orgelklang. Es versteckt sich zwischen Psalmversen genauso wie in gemeinsam gemurmelten Worten frommer Gebete. Sogar im Schweigen wurde es entdeckt. Es ist so vielfältig wie flüchtig. Aber in dieser Fastenzeit, da will ich es versuchen – das Medi-Tier zu zähmen.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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