Serie zur Sozialenzyklika "Fratelli tutti" | Teil 06
Die beste Politik
Im fünften Kapitel der Enzyklika beschäftigt sich Papst Franziskus mit dem Thema Politik.
Was soll die Überschrift „Die beste Politik“? Wer kann sich anmaßen zu beurteilen, was die beste Politik ist? Der Papst beklagt an verschiedenen Stellen seiner Enzyklika, dass Politik in mancher Hinsicht schlecht ist, populistisch, nationalistisch, egoistisch, einmal verwendet er gar den Ausdruck armselig. Es hat den Anschein, dass der Papst sich anmaßt, nicht nur zu wissen, was beste Politik ist, sondern diese auch einfordern zu wollen. Weltfremd? Der Papst selbst scheint das zu bemerken, wenn er schreibt: „Es ist keine pure Utopie, jeden Menschen als Bruder oder Schwester anerkennen zu wollen und eine soziale Freundschaft zu suchen, die alle integriert.“ (180) Wenn also keine pure Utopie, dann doch nicht ganz von dieser Welt in dieser Welt? Und der Papst führt weiter aus: „Dazu braucht es Entschiedenheit und die Fähigkeit, wirksame Wege zu finden, die sie real möglich machen.“ Mit diesem Hinweis auf Entschiedenheit und Kreativität spricht der Papst einige Punkte an, um der Utopie feste Anhaltspunkte in dieser Welt zu geben, der Utopie sozusagen Beine zu machen.
Änderung von Gesinnung und Struktur
Da ist einmal die gegenseitige Bezogenheit von Gesinnungs- und Strukturreform. Wichtig ist für ihn dabei die grundsätzliche Haltung, er benennt sie mit „Liebe voller kleiner Gesten der Aufmerksamkeit“ als Ausgangs- und Zielpunkt auch in gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Zusammenhängen. Es ist nämlich etwas Anderes, die Mitmenschen nur aus dem Blickwinkel der Konkurrenz, des eigenen Nutzens und einer selbstbezogenen Macht zu betrachten, oder davon auszugehen, dass es gut ist, dass es den und die Anderen gibt und dass mit ihnen zusammen die Welt gestaltet werden soll.
Aus dieser Perspektive der grundsätzlichen Annahme des Anderen werden auch die politischen Institutionen eine andere Ausrichtung erfahren, nämlich eine besondere Öffnung für die am Rande Stehenden und über Grenzen hinaus. In solchen Einrichtungen des Politischen besteht die Möglichkeit, auch Menschen zu erreichen, die nicht unmittelbar in der Nähe und „zur Hand“ sind. „Dies zeigt, dass nicht nur eine Spiritualität der Geschwisterlichkeit wachsen muss, sondern zugleich eine weltweite wirksamere Organisation zur Lösung der drängenden Probleme der Verlassenen …“(165)
Institutionen, auf der Liebe aufbauend
Auf diesem Hintergrund fordert Franziskus die Veränderung von Einrichtungen wie der Wirtschaftspolitik in der Ausrichtung an guten materiellen Bedingungen für alle, der internationalen Organisationen wie der UNO, um einbeziehend und nicht ausgrenzend zu wirken und die Menschenrechte für alle so weit wie möglich zu sichern. Dabei kann man nicht immer mit schnellem Erfolg rechnen, es gilt, das Pflänzchen der Hoffnung zu ziehen, „Prozesse in der Hoffnung auf die geheime Kraft des ausgesäten Guten anzustoßen, deren Früchte von anderen geerntet werden“.
Damit wird die Nächstenliebe zum „geistigen Herzstück der Politik“, einem Ziel, dem wir uns auf allen Ebenen in kleinen Schritten annähern können.
Aus der Enzyklika zitiert:
178
Angesichts vieler Formen armseliger Politik, die auf das unmittelbare Interesse ausgerichtet sind, zeigt sich „die politische Größe, wenn man in schwierigen Momenten nach bedeutenden Grundsätzen handelt und dabei an das langfristige Gemeinwohl denkt. Diese Pflicht in einem Projekt der Nation auf sich zu nehmen, kostet die politische Macht einen hohen Preis“; dies umso mehr in einem gemeinsamen Projekt für die gegenwärtige und zukünftige Menschheit.
182
Jeder ist dann wirklich eine Person, wenn er zu einem Volk gehört, und gleichzeitig gibt es kein wahres Volk ohne Respekt vor dem Angesicht jeder Person. … Heute jedoch maßt man sich an, Personen auf Individuen zu reduzieren, die leicht von Mächten beherrscht werden, die auf unrechtmäßige Interessen abzielen. Eine gute Politik sucht nach Wegen zum Aufbau von Gemeinschaften auf verschiedenen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens …
186
Daraus folgt: „Ein ebenso unverzichtbarer Akt der Liebe ist das Engagement, das darauf ausgerichtet ist, die Gesellschaft so zu organisieren und zu strukturieren, dass der Nächste nicht im Elend leben muss.“ Es ist Liebe, einer leidenden Person nahe zu sein; aber auch all das ist Liebe, was man ohne direkten Kontakt mit dieser Person zur Veränderung der gesellschaftlichen Bedingungen, die ihr Leiden verursachen, tut.
Der Grazer Sozialethiker Dr. Leopold Neuhold analysiert für das Sonntagsblatt die Grundlinien der soeben erschienenen Sozialenzyklika von Papst Franziskus.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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