APROPOS Jesus | 60 Fragen - 60 Antworten
43. Hat Jesus die Zukunft vorausgesagt?
Jesus ist kein Wahrsager, der neugierigen oder ängstlich fragenden Menschen Details über ihre Zukunft „verrät“. Dazu weiß er sich nicht berufen, und das ist auch nicht sein Stil. Wie er über die Zukunft denkt, spürt man, wenn er vom Reich Gottes, vom Tempel, von Jerusalem und von der Vollendung der Welt spricht. In seinem Innersten weiß er: Letztlich liegt alles in guten Händen. Denn Gottes Reich der Liebe und Gerechtigkeit wird sich durchsetzen. Für Jesus ist es jetzt schon ganz nahe, zumindest existenziell, auch wenn er für dessen endgültigen Durchbruch keine Zeit und keinen Termin nennen kann. Denn „jenen Tag und jene Stunde kennt niemand, […] nur der Vater“ (Mk 13,32).
Aber Jesu Vertrauen ist nicht naiv. Er weiß, dass die Beziehung zu Gott nicht einfach vor Leid und Schmerz schützt. Sein Freund, der Täufer Johannes, kämpfte doch auch für das Gute und wurde dennoch von Herodes grausam getötet. Jesus weiß, dass auch ihm Leid und Tod nicht erspart bleiben werden, wenn er seinem Weg treu bleibt. Das steckt hinter den „Leidensankündigungen“, die uns in den Evangelien überliefert sind. Genauso weiß er um die Zerbrechlichkeit irdischer Größe und Schönheit. Als einige seiner Jünger den Prachtbau des Tempels bestaunen, sagt er: „Kein Stein wird hier auf dem andern bleiben, der nicht niedergerissen wird.“ (Mk 13,2) Und so geschieht es dann auch im Jahre 70 n. Chr., als die Römer Jerusalem zerstören. Das Lukasevangelium erzählt, dass Jesus, als er vom Ölberg auf Jerusalem blickt, über das kommende Schicksal der Stadt in Tränen ausbricht (vgl. Lk 19,41–44). Die Zerstörung Jerusalems wird in den Evangelien zum Vorgeschmack und Symbol für das Ende der „Welt“ überhaupt.
Jesus greift, wenn er von diesem Ende spricht, auf damals im Judentum geläufige Vorstellungen zurück (vgl. Mk 13 par.): Mond und Sonne werden sich verfinstern, Sterne vom Himmel fallen usw. Das sind eindrucksvolle Bilder dafür, dass das vertraute Alte, das so sicher scheint, seinen Glanz verliert und etwas ganz Neues kommt. Vorher allerdings, so sagt Jesus in den Evangelien, wird noch manches durchzustehen sein: Kriege, Erdbeben, Hungersnöte, Verfolgungen usw. (eigentlich das, was wir bis heute immer wieder in den Nachrichten hören). Aber – und das ist entscheidend! – das Böse wird nicht siegen. Denn am Ende kommt der „Menschensohn“. Damit greift Jesus einen apokalyptischen Traum des Propheten Daniel auf (vgl. Dan 7,13f.). Der Ausdruck „Menschensohn“ steht im Aramäischen einfach für „Mensch“. Jesus selbst bezeichnet sich laut Evangelien gern als „Menschensohn“. Daniels „Menschensohn“ ist Symbol und Inbegriff der Menschenfreundlichkeit Gottes. Ins Heute übersetzt: Am Ende wird die gottgewollte Humanität alle bestialischen Grausamkeiten der Geschichte überwinden. Und das ist genau das, was auch der „Menschensohn“ aus Nazaret verkündete, lebte und bis in den Tod hinein bezeugte.
Für Christenmenschen ist daher Jesus der wahre „Menschensohn“. Und dass am Ende Gerechtigkeit und Liebe „siegen“ werden, bleibt die große christliche Zukunftshoffnung für jeden Menschen und für die Menschheit als ganze. Muss man mehr über die Zukunft wissen?
Karl Veitschegger
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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