APROPOS Jesus | 60 Fragen - 60 Antworten
27. War Jesus verliebt?

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Wer mit offenem Herzen, empathisch und achtsam durch die Welt geht und mit vielen unterschiedlichen Menschen in Kontakt tritt, wird sich über kurz oder lang auch verlieben. Das ist (fast) unvermeidlich!

In der zur Zeit Jesu „erhältlichen“ religiösen Literatur ist das Thema „Verliebtsein“ bzw. „erotisch-sexuelle Liebe“ mit keinem Tabu belegt. Das zeigt die Sammlung von Liebesliedern im sogenannten „Hohelied“ (1,2.16): „Süßer als Wein ist deine Liebe. […] Schön bist du, mein Geliebter, verlockend“ (um den noch „jugendfreien“ Teil dieses biblischen Buches zu zitieren!). Jesus hätte eventuelle Verliebtheiten also nicht mit Schweigen übergehen müssen.

Die Frage ist nur, ob Jesus dem Adrenalin-Dopamin-Pheromon-Rausch rückhaltlos erlegen ist oder ob er solche Gefühle schlicht nicht vertiefen wollte. So viel wir aus den Evangelien wissen, hatte er ein klares Ziel vor Augen und das war nicht die Gründung einer klassischen Familie.

Die sogenannte „rosarote Brille“, die einen verklärten Blick auf das Gegenüber bietet, dürfte Jesus aber wiederum nicht ganz fremd gewesen sein. War es doch eindeutig Teil seiner emotionalen und charakterlichen Stärke, das Gute und Liebenswerte im anderen zu sehen und zu (Tage zu) fördern. Aber nicht naiv und blind, im Rausche der Hormone und hochschwellenden Emotionen, sondern eingebettet in eine größere Weisheit und Güte. Jesus wusste offensichtlich um die „Heilkraft“ des bedingungslosen Geliebt- und Angenommenseins.

Warum sonst hätte er die als schuldig befundene Ehebrecherin im Johannesevangelium mit den Worten „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie“ (Joh 8,7) vor der grausamen Hinrichtung bewahrt. Was brächte es auch, wenn man die Leidenschaft und Hingabe eines Menschen buchstäblich abtöten wollte? Vielleicht hatte Jesus Verständnis für die Suche dieser Frau nach emotionaler Zuneigung und körperlicher Nähe? Wusste er, wie unvermittelt einen starke Verliebtheitsgefühle treffen können und dass damit der Wunsch nach romantischer Beziehung samt körperlichem Ausdruck einhergehen kann? Erkannte er die quälende innere Leere, die diese Frau dazu trieb? Denn wer, der sich mit seinem Ehepartner oder seiner Ehepartnerin emotional tief verbunden weiß und vollkommene Zufriedenheit spürt, würde seine Ehe leichtfertig aufs Spiel setzen?

Einmal vergibt Jesus sogar einer als „Sünderin“ denunzierten Frau ihre Verfehlungen mit den Worten: „Ihr sind ihre vielen Sünden vergeben, weil sie viel geliebt hat.“ (Lk 7,47) – Reife Ansage! Die Liebe und das „Heilmachende“ werden hier höher bewertet als das vermeintlich Sündhafte, das manche darin sehen wollten.
Da darf man fragen: Könnte Jesus so viel Nachsicht mit diesen beiden liebenden Frauen haben, wenn er es nicht selbst am eigenen Leib erfahren hätte, mit welcher Wucht die Liebe einschlagen kann?
Wir wissen es nicht. Aber im Letzten war Jesus auch ein Mensch mit gefühlvollem Herzen.

Irene Maria Unger

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Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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