APROPOS Jesus | 60 Fragen - 60 Antworten
23. Konnte Jesus wirklich Wasser in Wein verwandeln und über das Wasser gehen?

Durchaus möglich, dass Jesus in dem kleinen Dorf Kana in Galiläa während einer Hochzeit, als plötzlich der Wein ausging, dem Brautpaar aus der Patsche half, indem er überraschend für guten Wein sorgte. Gut vorstellbar, dass man in Kana und den Nachbardörfern später noch lange und gern davon erzählte. Was genau geschehen ist, können wir heute nicht mehr eruieren. Studiert man jedoch die betreffende Stelle im Johannesevangelium (2,1–12), merkt man, der Verfasser liefert hier keinen Bericht über ein vergangenes Mirakel, sondern bietet eine theologisch fein durchkomponierte Erzählung. Er verwendet nicht das Wort „Wunder“ (griechisch tháuma), sondern spricht bewusst von „Zeichen“ (griechisch semeíon). Aber wofür könnte die von Jesus in dieser Erzählung verursachte Weinfülle (über 500 Liter!) ein Zeichen sein?

In der griechischen Mythologie beschenkt Gott Diónysos, der Erfinder des Weines, die Menschen aus Quellen und Flüssen wunderbar mit Wein. Ein heiteres göttliches Zeichen für überfließende, rauschhafte Lebenslust. Es gibt Belege dafür, dass der Kult des Diónysos auch in Galiläa und ganz Palästina bei der heidnischen Bevölkerung beliebt war (z. B. in Sepphoris, heute Tzippori, GPS 32.753056, 35.280000, ein paar Kilometer von Kana entfernt). Dazu bietet das Johannesevangelium nun bewusst eine Alternative, indem es seiner Leserschaft verkündet: Nicht die mythische Figur des Diónysos schenkt das wahre Leben, sondern Jesus von Nazaret bringt euch Leben „in Fülle“ (Joh 10,10) – durch sein Mit-euch-Sein und seine Liebe „bis zur Vollendung“ (Joh 13,1). Liebe, Freude, Lust, neues Leben, Glück – die großen Themen bei jeder Hochzeit – das ist auch das, wozu Jesus euch mit seinem „ersten Zeichen“ einlädt: Gott will, dass ihr glückliche Menschen seid. Sehr glückliche.

Und wie ist das mit der Erzählung vom Gang Jesu über den See, wie sie z. B. im Markusevangelium (6,45–52) erzählt wird? Auch sie wird einen historischen Kern haben. Interessant ist, dass über indische Gurus und christliche Heilige ähnliche Phänomene erzählt werden, oft mit der Versicherung, es gebe dafür seriöse Augenzeugen. Also wer weiß schon, was Jesus alles möglich ist? Ein Augenzeuge war Markus, der Verfasser des ältesten Evangeliums, allerdings nicht. Seine Erzählung ist sehr einfach und kurz gehalten. Matthäus wird sie später stark erweitern (vgl. Mt 14,22–33) und Johannes leicht davon abweichen (vgl. Joh 6,16–21). Aber auch schon bei Markus erkennt man die theologische Pointe, um die es in dieser Überlieferung geht. Jesus sagt: „Habt Vertrauen, ICH BIN ES; fürchtet euch nicht!“ (Mk 6,50) Die Jünger begreifen das Wort Jesu damals noch nicht, merkt Markus eigens an. Aber seine Leserschaft soll verstehen: Jesus kommt auch über Abgründe, die sich in eurem Leben auftun, zu euch, er geht im Meer der Ängste nicht unter, sondern hilft euch, eure Angst zu überwinden. Das mag euch zuerst „gespenstisch“ vorkommen, aber es wird zur rettenden Begegnung. In seinem Wort „ICH BIN ES“ klingt der hebräische Gottesname הוהי (JHWH) durch. Diese vier hebräischen Buchstaben bedeuten: „ICH BIN, DER ICH BIN “ oder „ICH BIN DA“. Daher fürchtet euch nicht, in Jesus ist Gott selbst rettend für euch da!

Alle Erzählungen über sogenannte „Geschenkwunder“ und „Naturwunder“ Jesu sind theologisch dichte Texte. Manche lehnen sich bewusst an Prophetengeschichten im Alten Testament an (z. B. Elischas wunderbare Brotverteilung, vgl. 2 Kön 4,42–44). Ihr Schwerpunkt liegt aber nicht im Bestaunen besonderer Ereignisse der Vergangenheit, sondern sie wollen den Menschen, die jetzt das Evangelium lesen oder hören, sagen: Auch in eurem Leben kann Jesus (in einem tieferen Sinn) „Wasser in Wein verwandeln“, „über Wasser gehen“, einen „Sturm stillen“ oder mit geringsten Mitteln viele „satt“ und glücklich machen. Vertraut ihm. Jetzt ist für euch die Zeit der Wandlung, der Ermutigung und Stärkung.

Karl Veitschegger

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SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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