Kunst & Kultur
Heilige Orte

Das Weben ist eine Aufforderung zum Mitmachen – in der Ausstellung „Sanctuary“ von Azra Akšamija (Bild oben rechts) im Kunsthaus Graz. | Foto: Kunsthaus Graz/Kröpfl/Studio-Lou, 2024
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  • Das Weben ist eine Aufforderung zum Mitmachen – in der Ausstellung „Sanctuary“ von Azra Akšamija (Bild oben rechts) im Kunsthaus Graz.
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Kunsthaus Graz. Ausstellung von Azra Akšamija.

Was ist für uns Menschen eigentlich heilig? Was darf man, was sollte man tun und was wird erwartet? Was heißt es heute, dazuzugehören, in einer Welt, die von Kulturtransfer, Ungleichheiten und Migration geprägt ist?
Die in Sarajewo geborene, vor dem Krieg geflohene und in Graz aufgewachsenen Künstlerin und Architekturhistorikerin Azra Akšamija beleuchtet im Kunsthaus Graz mit der Ausstellung „Sanctuary“
(Anm. d. Red.: deutsch: Zufluchtsort, Heiligtum) die unterschiedlichen Ebenen des Begriffs „sicherer Hafen“.

„Die Erde selbst ist Schutzraum“, sagt die Künstlerin Azra Akšamija. „Aber auch die eigene Identität, die sich etwa im eigenen Privatraum manifestiert, ist ein Schutzraum. Orte, an denen man zusammenkommt, um zu glauben, zu feiern oder sich auszutauschen, sind wichtige Schutzräume. Auch Rechte wie das Recht auf Arbeit sind wichtige Schutzräume, die unsere Kultur und jeden von uns definieren.“

Haptische und visuell starke Werke aus farbenfrohen Textilien, zu unterschiedlichen Mustern zusammengefügt, durchziehen den Raum und laden ein, auf Tuchfühlung zu gehen. 3D-Brillen, die aus ganz unterschiedlichen kulturellen Kontexten stammen könnten, sind in Form von Fensterrosen arrangiert und filtern etwa das Tageslicht in der gläsernen Terrasse. Akšamija, die sich auch als Professorin am MIT in Massachusetts/US intensiv mit der Forschung zur Umnutzung und Individualisierung des Bestehenden auseinandersetzt, hat Textilspannungen aus zerschnittenen, weggeworfenen T-Shirts im Space verarbeitet. Ethische und ökologische Nachhaltigkeit verbinden sich und legen den Fokus sowohl auf systemische Logiken unserer Welt wie auf das Weben selbst.

Das Weben ist Aufforderung zum Mitmachen und steht dabei aber vor allem „auch für eine Form des vernetzenden Handelns. Oft von Frauen betrieben, wird im Weben persönliche mit gesellschaftlicher Geschichte verwoben. Im Tun findet Verarbeitung statt – in manchen Fällen gar eine Form der Heilung – und im Verschönern wird das eigene Leben gestaltet. Das sehe ich ebenso in den Flüchtlingslagern, in denen ich mit meinen Studierenden arbeite, wie in privilegierten Situationen wie etwa hier in Österreich.“

In der Mitte der Ausstellung steht ein individualisiertes UNHCR-Schutzzelt für Geflüchtete, wo man nachdenken, zuhören und sich selbst finden kann. Am großen Arbeitstisch der Sanctuary kann man gemeinsam recycelte Textilien zu neuen Mustern verarbeiten. So kommen die Besucher:innen ins Gespräch und ins Tun. Akšamija entwickelt mit digitalen KI-Tools Wearables für die ganze Welt, die sich an verschiedenen Kulturen orientieren und auch für die Zukunft gedacht sind.

Das Thema Schutz wird in ihren Installationen erfahrbar, die den ganzen Raum einnehmen. Darin geht es um die Wechselbeziehung zwischen Menschen und ihrer kulturellen Prägung. So deutet eine Rosette für Menschen aus unterschiedlichen Kontexten etwa auf etwas Heiliges.

Azra Akšamija
 | Foto: Kunsthaus Graz/Kröpfl/Studio-Lou, 2024

Azra Akšamija, die u. a. 2021 an der Architekturbiennale von Venedig ausstellte und 2019 auch den Preis der Stadt Graz für zeitgenössische Kunst erhielt, hat im Kunsthaus Graz ganz unterschiedliche Schutzräume gebaut, die verschiedene Wahrnehmungsebenen aufmachen. Ihre künstlerische Praxis und akademische Forschung sind in der Geschichte und Theorie der Kunst und Architektur islamischer Gesellschaften verwurzelt. Sie erforscht, wie das soziale Leben durch kulturelle Vorurteile sowie durch die Verschlechterung und Zerstörung kultureller Infrastrukturen im Kontext von Konflikten, Migration und Vertreibung beeinflusst wird.
„Ich habe Projekte ‚tragbarer Architektur‘ wie die Nomadic Mosque (2005) oder die hier ausgestellte Dirndlmoschee (2005) entwickelt, um durch eine Art empathischen Antagonismus ‚furchtloses Sprechen‘ zu erforschen.“ Etwas, das gerade heute immer wieder besonders wichtig ist.

Katrin Bucher Trantow, Kuratorin

◉ Die Ausstellung „Sanctuary“ läuft noch bis 6. Oktober im Kunsthaus Graz und wird von einem reichen Programm begleitet. Am 10.08. lädt die Grazer Stoffwerkstatt zum Flechten eines großen Teppichkissens und sonntags im Juli und September der offene Workshop Tee und Faden zur aktiven Näh-Beteiligung.

Anmeldung und mehr: www.kunsthausgraz.at

Das Weben ist eine Aufforderung zum Mitmachen – in der Ausstellung „Sanctuary“ von Azra Akšamija (Bild oben rechts) im Kunsthaus Graz. | Foto: Kunsthaus Graz/Kröpfl/Studio-Lou, 2024
Azra Akšamija
 | Foto: Kunsthaus Graz/Kröpfl/Studio-Lou, 2024
Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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