Gegen den Egoismus
Künstler Erwin Lackner im Gespräch. Einige seiner Werke werden im Rahmen des Kunst-Aschermittwochs zu sehen sein:
Für eine Installation in der Kirche Graz-St. Andrä im Rahmen des Kunst-Aschermittwochs setzt du dich als Künstler mit einem Phänomen unserer digitalen Welt auseinander. Worum geht es?
Wenn ich Kunst mache, dann muss es für mich immer einen sozialen oder gesellschaftlichen Hintergrund geben. In diesem Fall – den von mir so genannten ‚Foodporn‘-Bildern – beziehe ich mich auf das Phänomen, dass im Internet Fotos von Speisen gepostet werden. Meine Vorlage sind da nicht die professionell inszenierten Fotos von Restaurants oder Food-Designern für Speisen- oder Kochbücher, sondern die meist sehr banalen Fotos, die auf Facebook oder anderen Foren von verschiedensten Personen gepostet werden, die sich damit auch selbst inszenieren. Da liegt für mich ja schon eine gewisse Perversion darin, dass in unserer Überfluss-Gesellschaft oft meist aus Langeweile Essens-Fotos ins Internet gestellt werden, wo wir doch wissen, dass es weltweit viele Menschen gibt, die nur mit einer Handvoll Reis durch den Tag kommen müssen.
Du wirst diese Arbeiten in einem Kirchenraum zeigen. Was ist für dich die Herausforderung dabei?
Ursprünglich war beim Entstehen der Arbeit die Verbindung mit einer religiösen Dimension überhaupt kein Thema. Dass vierzig Bilder entstanden sind, hatte eigentlich rein formale Gründe. Ein Journalist hat das dann bei einer Präsentation sofort als Fastentuch gesehen und auf den Konnex der vierzig Essens-Bilder mit den vierzig Tagen der vorösterlichen Fastenzeit aufmerksam gemacht. Das fand ich spannend. Sicher erfährt auch die Arbeit dadurch eine spannende neue Aufladung. Die Bilder werden aber nicht gemeinsam vor dem Altar präsentiert, wie bei einem klassischen Fastentuch, sondern direkt in den Bankreihen positioniert. Sie kommen den beim Gottesdienst Mitfeiernden also sehr nahe und verstellen ihnen die Sicht auf den Altar. Ich hoffe, dass durch die direkte Konfrontation mit diesen Essensbildern ein Nachdenkprozess angeregt wird, dass Fasten auch Verantwortung für diese Welt bedeuten könnte.
Während der Fastenzeit wird in der Andräkirche auch eine andere Arbeit von dir zu sehen sein: zwei Boote, die sich zu einem Kreuz verbinden. Was ist der Hintergrund dieser Arbeit?
Auch diese Arbeit hat einen gesellschaftspolitischen Hintergrund. Mich haben die Bilder der Menschen auf den Flüchtlingsbooten im Mittelmeer zutiefst erschüttert. Ich habe auch keine Lösung für dieses Problem, aber dass man Menschen bewusst ertrinken lässt, ist einfach schrecklich! Das kann niemanden unberührt lassen. Dieses Dilemma wollte ich ins Bild bringen. So habe ich zwei Kanus zu einer Kreuzform zusammengefügt. Das Kanu ist für mich eine archaische Urform wie der Einbaum. Das Kreuz ist natürlich eine religiös konnotierte Form, gleichzeitig weist es aber in alle vier Himmelsrichtungen, und diese beiden zusammengefügten Kanus visualisieren einfach die Unmöglichkeit, irgendwo anzukommen, man kann sich höchstens im Kreis bewegen. Ich habe fast ein halbes Jahr gebraucht, bis aus einer ersten Idee schließlich dieses Werk geworden ist, und bin nun sehr froh, dass ich es in einer Kirche zeigen kann. In St. Andrä entsteht eine sehr spannende Kommunikation zwischen der Skulptur und dem Andreaskreuz auf dem Hochaltarbild mit dem Martyrium des Apostels.
Parallel zu den Arbeiten im Kirchenraum wirst du in der Kultum-Galerie einen neu entstandenen grafischen Kreuzweg-Zyklus zeigen, der sich ganz auf die abstrahierte Form des Kreuzes konzentriert, das durch Drehung der Bilderreihe Rhythmus und Dynamik verleiht. Was macht für dich als Künstler dieses christliche Symbol spannend?
Das Kreuz ist für mich über die christliche Symbolik hinaus eine archaische Ur-Form. Ich nenne den Zyklus wie auch die Skulptur in der Kirche „Kreuzfahrt“, das heißt, auch hier geht es mir um den Hinweis auf unsere Konsum- und Überflussgesellschaft, die auf Kosten anderer, auch künftiger Generationen lebt. Ich verstehe meine Kunst als Denkanstoß gegen den Egoismus in unserer Welt. Mir geht es um Menschlichkeit und um die Würde jedes Menschen.
Interview: Alois Kölbl
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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