Ukraine
Wir haben Hoffnung
Im Interview spricht Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk über die Kraft des Glaubens und darüber, was der Krieg in der Ukraine mit den Menschen macht.
In der Ukraine grüßen sich die Gläubigen zu Ostern mit den Worten „Christus ist auferstanden, er ist wahrhaft auferstanden“. Was bedeutet dieser Gruß vor dem Hintergrund des Krieges?
Ich erinnere mich, dass meine Eltern mir als Kind beigebracht haben, jeden mit diesem Gruß zu grüßen. Zufällig, ohne es zu wissen, grüßte ich einmal einen Vertreter der Kommunistischen Partei, einen militanten Atheisten. „Christus ist auferstanden!“, sagte ich. Erstaunt antwortete er: „Ja, ja, sie haben mich informiert.“ Diese Antwort trage ich in meinem Herzen, und im Zusammenhang mit dem Krieg verstehe ich sie immer besser: Es ist eine Sache, von der Auferstehung Christi ,informiert‘ zu werden, eine andere ist es, diese Botschaft durch die eigene Lebenserfahrung zu verifizieren. Nun glaube ich, dass wir in der Ukraine wirklich die Gegenwart des Auferstandenen unter uns erfahren. Wir haben Hoffnung.
Eine Hoffnung, die über den menschlichen Horizont hinausgeht …
Welche Rolle spielen die Frauen in der Ukraine, insbesondere innerhalb der Kirche, in diesen dramatischen Zeiten?
Die Frauen sind derzeit die Mehrheit in unseren Gemeinden, denn es gibt Dörfer, in denen es keine Männer mehr gibt. Sie sind alle an der Front und kämpfen. Die Frauen sind also diejenigen, die die Last dieses Krieges auf ihren Schultern tragen. Mit Freiwilligenarbeit, mit humanitärer Hilfe … In unserer Kirche waren Frauen immer die ersten Verkünderinnen des christlichen Glaubens in den Familien und Gemeinden. Fast 99 Prozent unserer Katecheten sind Frauen, und 90 Prozent unserer Geistlichen sind verheiratet, und die Rolle der Ehefrau des Pfarrers in der Gemeinde ist ebenfalls sehr wichtig. Wir haben Frauen, die in den verschiedenen Bereichen des kirchlichen Lebens arbeiten und die einen wichtigen Beitrag zu den Entscheidungsmechanismen leisten.
Welche Auswirkungen hat der Krieg auf Priester und die Beziehungen zwischen Ihnen als Oberhaupt der griechisch-katholischen Kirche und dem Klerus?
Der Krieg hat uns zu einer echten und authentischen pastoralen Umkehr geführt. Die Priester sind nicht länger eine soziale Elite, eine Kaste von Unberührbaren. Der Priester ist derjenige, der von seinem Podest herabsteigen und sich vor die Verwundeten knien muss, der diejenigen trösten muss, die den Tod ihrer Angehörigen betrauern. Diese pastorale Umkehr offenbart eine Dimension des Priesters, der ein Diener ist, wie Christus sagte. Für mich als Bischof war diese Zeit eine Zeit der Nähe zu den Priestern. Denn sie sind ja den leidenden Menschen nahe, aber ich muss meinen Priestern nahe sein. Sie heilen die Wunden der Menschen, aber ich muss ihre Wunden heilen, ich muss ein Vater sein, wenn sie sich ausgebrannt, müde fühlen, sie auf meine Schultern heben, um ihnen Ruhe und Mut zu geben.
Sie haben in der Vergangenheit bei vielen Gelegenheiten die Gefahr der Gleichgültigkeit, der Gewöhnung an das Leiden angeprangert? Besteht diese Gefahr noch? Was kann man tun, um ihr zu begegnen?
Ja, es ist eine große Gefahr, denn jeden Tag fallen Bomben, aber diese Bomben schrecken nicht mehr. Das ist eine Frage der menschlichen Psychologie: Gleichgültigkeit verteidigt die grausame Realität. Aber diese Gleichgültigkeit kann sehr gefährlich sein, denn das Herz verkümmert, es ist nicht mehr in der Lage, mit den Leidenden mitzufühlen. Das Gebet, die Sakramente und das Hören auf das Wort Gottes helfen uns Christen, nicht in die Hände der Gleichgültigkeit zu fallen.
Ich sehe, dass diejenigen, die nicht den christlichen Glauben haben, nach jemandem suchen, der Gewalt oder Hass legitimiert. Es ist sehr gefährlich, wenn man Gewalt aus religiöser Sicht rechtfertigt, denn dann wird die Lawine der Rache wirklich unaufhaltsam. Und Hass verbrennt die Seele. Das erste Opfer des Hasses ist derjenige, der hasst. Wir versuchen, den Hass nicht auf den Feind zu lenken. Wir sehen nicht nur, dass der christliche Glaube eine Kraft ist, sondern auch, dass er etwas ist, das Horizonte öffnet, das uns Leben gibt, um unter diesen Bedingungen zu überleben. Hass und Gewalt zerstören hingegen.
Auszüge aus einem Telefoninterview mit Salvatore Cernuzio von Vatican News
Ukraine
Die griechisch-katholische Kirche in der Ukraine mit ihrem Oberhaupt Erzbischof Swjatoslaw Schewtschuk steht in Gemeinschaft mit dem Papst. Sie feierte Ostern nach dem Julianischen Kalender heuer am 16. April.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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