Ökumene
Kein Schisma im Jahr 1054

- KirchenhistorikerInnen-Tagung erarbeitete Neubewertung der Ereignisse von 1054, von links: armenisch-apostolischer Bischof Tiran Petrosyan (Vorsitzender, Ökumenischer Rat der Kirchen in Österreich), Clemens Koja (Präsident, PRO ORIENTE), Mario Fischer (Generalsekretär, Gemeinschaft der Evangelischen Kirchen in Europa), Metropolit
Arsenios (orth. Metropolit von Austria, Exarch von Ungarn und Mitteleuropa), Kardinal Kurt Koch, Prof. Thomas M. Németh, Prof.in Michaela Sohn-Kronthaler, Kardinal László Német (Erzbischof von Belgrad), Prof. Grigorios Larentzakis, Weihbischof Franz Scharl, Bischof Manfred Scheuer (Ökumene-Referent in der Österr. Bischofskonferenz). - Foto: kathbild.at/Rupprecht
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Symposion setzt neuen Impuls für den katholisch-orthodoxen Dialog
Das Jahr 1054 gilt weithin als der Zeitpunkt, in dem es zur Trennung zwischen der Katholischen Kirche und der Orthodoxen Kirche kam. Damals war Kardinalbischof Humbert von Silva Candida, beauftragt von Papst Leo IX., nach Konstantinopel gereist, um ein Bündnis gegen die Normannen in Italien zu schließen. Doch diese Bemühungen des päpstlichen Gesandten scheiterten. Es kam zu einem Eklat: Nachdem der Kardinal den Patriarchen Michael Kerullarios exkommuniziert hatte, erfolgte kurz darauf die Gegenexkommunikation. Das wird bis heute oftmals als das entscheidende Datum der katholisch-orthodoxen Kirchenspaltung, des „Schismas“, angesehen.
Die Arbeitsgemeinschaft der Kirchenhistorikerinnen und Kirchenhistoriker in Österreich (AKKÖ) ging am 16. und 17. Jänner an der Universität Wien im Rahmen eines in Kooperation mit dem Institut für Historische Theologie und der kirchlichen Stiftung PRO ORIENTE veranstalteten Symposions der Frage nach: „1054 – Gab es wirklich ein ‚Schisma‘ zwischen Ost- und Westkirche?“
Michaela Sohn-Kronthaler, Vorsitzende der AKKÖ und zusammen mit Professor Grigorios Larentzakis wesentliche Gestaltende des Symposions, skizzierte als Ziel der Tagung: „Das Symposion geht aus historischer und ökumenischer Perspektive der Frage nach, was tatsächlich im Jahre 1054 passiert ist. Denn wenn in diesem Jahr zwischen unseren Kirchen aufgrund aktueller Forschungen kein ‚Schisma‘ erfolgt wäre, dann hätten unsere Kirchen qualitativ andere Beziehungen zueinander. Der Ökumenische Dialog gewänne so eine ganz neue Ausgangsposition und hoffnungsvollere Perspektiven.“
Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. richtete an Sohn-Kronthaler eine Grußbotschaft. Darin gratuliert er „aus ganzem Herzen“ zu dieser Veranstaltung und würdigt diesen „bedeutungsvollen Beitrag für den Weg des Dialogs der zwei Kirchen“. Er erinnert an die ab 1965 begonnene „neue Periode der Kommunikation und der Beziehungen zwischen unseren Schwesterkirchen“ und ermutigt die Arbeitsgemeinschaft, die Forschungen fortzusetzen.
Die Vorträge erbrachten übereinstimmend das Ergebnis, dass die bedauerlichen Ereignisse des Jahres 1054 nicht ein „Schisma“ zwischen der Kirche des Westens und des Ostens darstellten. Es war überaus bedeutsam, dass Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras am 7. Dezember 1965 zur selben Stunde in Rom und in der St. Georgskathedrale in Konstantinopel verkündeten, dass die wechselseitigen Exkommunikationen „aus dem Gedächtnis und der Mitte der Kirche getilgt“ sind.
Quelle: AKKÖ
Notiert
Weiter im Dialog der Wahrheit
Kardinal Kurt Koch, Präsident des Dikasteriums für die Einheit der Christen, betonte in seinem Festvortrag, dass die Bullen im Jahr 1054 „gegen Persönlichkeiten und nicht gegen die Kirchen“ gerichtet gewesen seien. Koch erinnerte an die historische Begegnung von Papst Paul VI. und dem Ökumenischen Patriarchen Athenagoras I. im Jahr 1964 in Jerusalem. 1965 habe der „Dialog der Liebe“ begonnen, der auch einen „Dialog der Wahrheit“ erfordere.
Der Grazer orthodoxe Theologe Grigorios Larentzakis stellte fest, dass die gegenseitigen Exkommunikationen Personen betroffen hätten und nicht die Kirchen selbst. Damals wäre kein „Schisma“ zwischen den Kirchen erfolgt, sondern innerhalb der einen Kirche eine Vertiefung der „Entfremdung“ zwischen Ost und West. Es hätte auch keine Unterbrechung der sakramentalen Gemeinschaft gegeben.
Der Historiker Axel Bayer betonte, dass die Ereignisse von 1054 in der darauffolgenden Zeit kaum eine Erwähnung erfahren hätten. Selbst die Päpste hätten bis zum 15. Jahrhundert keinen Bezug auf diese Ereignisse genommen.
Der Kirchenhistoriker Christian Lange hielt fest: „Es gab keine Aufhebung der Communio zwischen der lateinischen Kirche und allen Kirchen des griechisch-sprachigen Ostens.“
In ihrem Resümee plädiert die Grazer Kirchenhistorikerin Michaela Sohn-Kronthaler dafür, bestehende Vorurteile kritisch zu hinterfragen und übertriebene polemische und historisch falsche Darstellungen in der Historiographie zu korrigieren. Das wäre notwendig sowohl in den theologischen und historischen Ausbildungen, wie auch in den Lehrbüchern für Schule (Religions- und Geschichtsunterricht) und Universität.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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