Kirche Steiermark
Auftanken statt einschlafen

- Das Pilgern schnitt bei einer Umfrage der Universitäten Wien und Sussex (England) am besten ab, wenn es um den Reiz von spirituellen Übungen geht. Predigten hingegen wurden am schlechtesten bewertet. Die Studie gibt Religionen Hausaufgaben auf: Relevanz und Lebensnähe!
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Spirituelle Langeweile. Eine Studie der Wiener Universität zeigt auf, warum Gläubige immer seltener in religiöser Gemeinschaft feiern.
Acht Minuten können schnell vergehen. Sie können sich aber auch „ziehen“ wie der sprichwörtliche Kaugummi. In jedem Fall gilt eine Zeitspanne von 480 Sekunden als Obergrenze beim Predigen. Was schon vor 30 Jahren im Fach Homiletik (Predigtlehre) im Theologiestudium vermittelt wurde, vertritt auch der Papst. Franziskus riet bei einer Generalaudienz in Rom im Vorjahr dazu, „nicht länger als acht Minuten“ zu predigten.
Laaangweilig. Der Realität, die oft ganz anders aussieht, widmete sich kürzlich eine Studie der Wiener Universität. Dort und an der südenglischen Uni Sussex untersuchten PsychologInnen, was Menschen davon abhält, spirituelle Praxis zu leben, und letzten Endes auch, warum sie immer seltener in religiöser Gemeinschaft feiern. Laut Studienleiter Thomas Götz sind ein Grund dafür langweilige Predigten.
In einer Befragung von mehr als 1200 Erwachsenen wurde spirituelle Langeweile in verschiedenen Kontexten wie Gottesdiensten, Pilgerreisen, Schweigeexerzitien, Yoga oder Meditation untersucht. Dabei wurden die Verkündigung vom Ambo von den StudienteilnehmerInnen in einem ersten Schritt als am wenigsten ansprechend wahrgenommen. Predigten erzielten auf der mit „1 bis 5“ dem österreichischen Schulnotensystem entsprechenden Skala nur ein 3,6. Im Gegensatz dazu schnitt am Besten das Pilgern ab (1,3).
Zu lang, zu wirr, zu alltagsfern. So würden, stark vereinfacht, zahlreiche Gläubige beim Gottesdienstbesuch häufig empfinden. „Predigten sind oft zu abstrakt und wenig lebensnah“, bestätigt auch Studienleiter Thomas Götz. Infolge dessen würden viele KirchgeherInnen keinen persönlichen Bezug zu den verkündeten Inhalten herstellen können. Langeweile entstehe aber auch dann, „wenn der Wert der Tätigkeit nicht angesehen werde“, so der Wiener Bildungspsychologe.
Lebensnah und ruhig. Die in der Fachzeitschrift Communications Psychology veröffentlichte Studie lässt Kirchen und Predigthäuser mit Hausaufgaben zurück. Denn anders als das Predigen wurde das Pilgern von den Befragten als kurzweiligste spirituelle Übung wahrgenommen. Naturerleben, Bewegung und soziale Interaktion seien der Grund für die Beliebtheit des Pilgerns.
Wäre das auch etwas, um die Verkündigung attraktiver zu gestalten? Predigten unter freiem Himmel, mit Inhalten, die (noch) mehr in der Lebenswelt der Menschen ansetzen, und vor allem: ohne erhobenen Zeigefinger, sondern bestärkend und beruhigend. Bis es so weit ist, sollte zumindest eines nicht vergessen werden: Die Acht-Minuten-Regel bei der Predigt, die auch Franziskus einmahnt. „Sonst“, so der Papst weiter, „schlafen die Zuhörenden ein, zu Recht.“
Studie zeigt Ursachen
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass tatsächlich Über- und Unterforderung und vor allem die fehlende persönliche Relevanz für praktizierende Gläubige die zentralen Auslöser für spirituelle Langeweile sind.
Anna Maria Steiner


Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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