17. Sonntag im Jahreskreis 26.07.2020
Meditation

Was hat Gott in mein Herz geritzt? | Foto: istock.com
  • Was hat Gott in mein Herz geritzt?
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Das eigene Leben lesen

Du bist der Schöpfer, ich bin dein Geschöpf, es ist nicht meines Amtes, Dich verstehen zu wollen; Du hast mich in diesen ledernen Sack gesteckt und mich auf die Erde geschickt, damit ich hier mein Werk verrichte, und so krieche ich denn auf der Erde und mühe mich ab. Ob ich auch manchmal wissen möchte, warum alles so wunderlich erschaffen ist, so will ich doch nicht die Rolle des müßigen Sklaven spielen und mit Dir über alles rechten. Ich will Dir einfach gehorsam sein und nicht erst lange darüber nachgrübeln, was Du wohl gedacht haben magst, sondern ich will einfach das tun und befolgen, was Dein Finger in mein Herz geritzt hat! Und sollte ich es übel verrichten, so verzeihe Du mir, denn Du warst es ja, der mich mit diesem mitleidigen Herzen erschaffen hat. Darum muss ich denn auch mit ihm mein Leben ableben.
Nikolai Lesskow

Wie oft ist uns die eigene Existenz rätselhaft und unaufdringlich! Auch das intensive Nachdenken und die Nabelbeschau bringen nicht immer Licht in das Dunkel unserer Seele.
Der Gaukler Pamphalon, diese wunderbare Figur in Lesskows Novelle, hat für sich eine Lösung in diesem Dilemma gefunden.
Er grübelt nicht mehr nach, sondern möchte nur eines herausfinden: Was hat Gott in mein Herz geritzt? Was ist alles in mir angelegt, wo treibt er mich hin, welche Kräfte und Fähigkeiten habe ich mitbekommen?
Sind sie für andere wichtig, kann ich ihnen damit dienen? So unscheinbar sich dieses „Lebensprogramm“ anhört, so anspruchsvoll ist es, wenn man es genauer betrachtet.
Bin ich so mit mir vertraut, dass ich die Schrift lesen kann, die in mein Herz geritzt wurde? Was sind eigentlich die besonderen Gaben, die mir in die Wiege gelegt wurden und die ich entfalten soll, damit ich nicht vergebens gelebt habe, wenn ich an das Ende meines irdischen Daseins gelangt bin? Habe ich mich vielleicht bisher falsch „gelesen“, muss ich den Versuch machen, diese Hieroglyphe neu zu begreifen?
Simone Weil schreibt einmal: „Jedes Wesen schreit im Stillen, um anders gelesen zu werden.“ Wir müssen beim Gaukler Pamphalon in die Schule gehen, er hat offenbar die geheime Schrift seines Herzens lesen können.

Otto Betz, Die Kostbarkeit der Seele,
Vier-Türme-Verlag

Autor:

Florian Heckel aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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