14. Sonntag im Jahreskreis | 3. Juli 2022
Meditation
Gruß aus der Quarantäne
Absonderung. „Sie dürfen Ihren Aufenthaltsort nicht verlassen, haben Kontakt zu anderen Personen zu vermeiden, sowie keine Besuche zu empfangen.“ So steht es geschrieben. Auf einem behördlichen Bescheid. Einem von vielen, dieser Tage. Die Zeitungen schreiben von der Sommerwelle. Klingt eigentlich nach Urlaub und Meer. In Wirklichkeit meint es Husten. Heiserkeit. Vielleicht sogar Fieber.
Absonderlich. Kein schönes Wort. Abwertend. Irgendwie anders. Seltsam anders jedenfalls. Jemand der sich absondert, ist einer der nicht dazugehört oder nicht will. Ein Eigenbrötler, der lieber für sich bleibt. Jemand mit absonderlichen Eigenarten. Nicht den Vorstellungen der Mehrheit entsprechend. Ein Sonderling, hört man dann manche durchaus auch abschätzig sagen. Etwas liegt quer zur gängigen Meinung. Fällt auf.
Im Gegensatz dazu: Besonders. Ein Wort mit Mehrwert. Etwas nicht Alltägliches, außergewöhnlich, wertvoll. Eine Besonderheit. Stolz präsentiert. Alle sollen es sehen. So etwas hat oder kann nicht jeder. Einzigartig, rufen sie beifallklatschend. Wie originell, kommentiert jemand vielleicht ein bisschen zynisch. Außerordentlich, lobt eine andere vornehm. Es übertrifft Erwartetes. Sprengt die Vorstellungskraft. Fällt auf.
Sondern trennt. Es scheidet Sätze. Ich bin nicht gern allein, sondern lieber unter Menschen. Es separiert mich, von anderen. Was mir nicht sonderlich gefällt. Im Moment wäre ich nämlich lieber nicht hier, sondern ganz woanders. Eine Hängematte am See zum Beispiel. Das wäre etwas Besonderes. Doch. Halt. Ich bin ja abgesondert. Die Hängematte bleibt ein sehnsüchtiger Traum.
Manchmal, besonders im Dunkeln, ist mir sonderlich zumute. Wenn dann auch noch ein sonderbares Geräusch ertönt, kann es sein, dass ich ... oh darüber erzähle ich einmal gesondert. Was? Schon genug „ausgesondert“ für heute? Vielleicht denkt auch jemand: Ich bleib noch ein bisschen. Es ist so schön einsam hier. Abgesondert. Ruhig. Keine Termine. Kein Stress. Endlich mal Zeit zum Ausschlafen. Wenn der lästige Husten nicht wäre.
Jeder Mensch ist etwas Besonderes. Das habe ich spätestens im Religionsunterricht gelernt. In jedem brennt ein besonderer göttlicher Funke. Einzigartig. Von Gott gemacht. Gott kennt jedes ihrer Kinder. Und sie liebt jedes. Gesondert. Und gesamt. Gott sondert nicht ab. Weder sich. Noch mich oder dich. Das glaube ich. An einen Himmel ohne Absonderungsbescheid.
Katharina Grager
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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