Himmels Träume | Teil 02
Wenn der Himmel offen ist
Ob eine Hühnerleiter für den Pudel oder die Himmelsleiter für auf- und absteigende Engel – es gibt sie: die Trostträume. Und sie sind kein billiges Pflaster.
Da ist eine Hühnerleiter, die bis zu den Wolken geht. Mein kleiner Pudel läuft ganz munter drauf auf und ab. Er wedelt mit dem Schwanz, läuft zu mir und beschnuppert mich. Dann läuft er wieder in den Himmel hinauf. Es ist total lustig.“
So träumt ein Kind unserer Tage. – Und recht ähnlich träumt der biblische Jakob Jahrtausende früher: „Jakob sah eine Treppe, die auf der Erde stand und bis zum Himmel reichte. Auf ihr stiegen Engel Gottes auf und nieder.“ (Nach Gen 28,12)
Wenn der Himmel aufgeht. Beide träumen davon, dass der Himmel offen ist – und beide träumen von einer wunderbaren Bewegung zwischen Himmel und Erde, die einfach Freude und Zuversicht weckt. Und beide hatten ganz anderes tags zuvor erlebt.
Das Kind war traurig und enttäuscht eingeschlafen – unverstanden von der Mutter, alleingelassen.
Auch beim jungen Jakob aus der Bibel war alles schiefgegangen. Gemeinsam mit der Mutter hat sich deren Lieblingssohn Jakob durch die Täuschung des blinden alten Vaters das Recht auf die Vorrangstellung innerhalb der Sippe erschlichen. Als der Betrug offenbar wird, schwört der betrogene Bruder Esau Rache. Jakob bleibt nichts als die Flucht. Er hat alles verloren, was ihm wichtig war. Und dann wird dieser Traum erzählt. Erschöpft schläft er auf einem Stein ein – und im Traum ist der Himmel offen. Die Engel steigen auf und nieder. Wohlgemerkt: Sie steigen zuerst von unten hinauf, dann erst von oben hi-nunter! Sie kommen also von unten, nicht von oben! Von dieser Welt des kleinen, recht armseligen Menschen mit seinen Begrenztheiten, seiner Ohnmacht, seinem Versagen und auch Scheitern steigen Engel auf. Erde und Himmel sind verbunden, der Himmel ist offen, wo die Erde am undurchdringlichsten erscheint. Von einem späteren Verfasser wird er sogar als neuer „Stammvater“ eingesetzt. (Gen 28,13–15) Einstweilen bleibt trotz des Himmelstraums nur die Flucht.
Träume ergänzen das Leben. In der nächtlichen Welt der Träume kann alles anders sein als in unserer Tageswelt. Das scheint sogar das Typische der Traumsprache zu sein: Sie ergänzt unser Leben, es gibt eben auch diese andere, fröhliche Seite, wenn das Leben traurig erscheint. Der Engpass, das Nicht-weiter-Wissen ist nicht alles! Die Träume bringen jene andere Seite zum Leuchten oder zum Klingen. Nur sind wir leider manchmal so sehr verfangen in unseren Verstrickungen, dass wir uns solche Träume gar nicht merken. Aber wir haben sie trotzdem! Und sie sind nicht einfach Wunschträume, sondern sie sind eine innere Wirklichkeit unserer Seele: Denn wir sind es ja, die sie träumen. Und wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, selbst nicht so träumen, aber von diesen Beispielen oder anderen wohligen Erfahrungen betroffen sind – dann gilt das auch für Sie: Was mich betroffen macht, hat mit mir zu tun. Es ist fast, als ob es mein Traum wäre.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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