Frauen - Leben | Teil 6
Problemlöserin

Aus Magnesit stellt die RHI Magnesita feuerfeste Materialien her. Anja Moser-Tscharf brennt für die Technik dahinter. | Foto: RHI Magnesita
  • Aus Magnesit stellt die RHI Magnesita feuerfeste Materialien her. Anja Moser-Tscharf brennt für die Technik dahinter.
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Von Gebirgsmechanik und ihrer Begeisterung für Technik erzählt Dipl.-Ing. Dr.mont. Anja Moser-Tscharf, MSc.

Mechanik beschreibt das Verhalten von Material auf Belastung, erklärt mir Anja Moser-Tscharf, die neben einem Doppel-Diplom in Rohstoff-Ingenieurwesen und Bergbautechnik und einem Master in Energietechnik auch ein Doktorat in Gebirgsmechanik abgeschlossen hat. Gebirgsmechanik? Für den Bergbau, besonders für die Menschen, die im Untertagebau arbeiten, ist es überlebenswichtig zu wissen, wie ein Gebirge auf Belastungen reagiert, weiß ich jetzt. „Fragen Sie ruhig alles!“, ermuntert mich die Bergbau-Expertin schmunzelnd.

Herausforderung gesucht
Sprachen haben sie immer sehr fasziniert, erzählt Anja Moser-Tscharf. Darum hat sie sich für ein Gymnasium mit Sprachenschwerpunkt entschieden und Latein, Französisch und Spanisch gelernt. Ein späterer Studienaufenthalt in Paris hat ihre Kenntnisse in dieser Hinsicht noch perfektioniert. Die logische Folge ihres Interesses wäre ein Sprachstudium gewesen. Aber Sprachen empfand sie eher „als Mittel zum Zweck. Sie sind dazu da, dass man sie spricht“. Ein vertiefendes Sprachstudium habe sie nie gereizt. Die Technik dagegen schon!

Ich muss es mir im Leben ja nicht immer leicht machen.


„Technik fand ich spannend, aber ich musste dafür arbeiten, es fiel mir nicht so leicht wie das Sprachen-Lernen“, erinnert sie sich. Je mehr sie sich damit beschäftigte, desto stärker wuchs ihr Interesse. So sei sie gestrickt: Sie suche sich generell gerne Dinge, die sie herausfordern. „Ich muss es mir im Leben ja nicht immer leicht machen“, lacht sie.

Vor der Haustür gefunden
Dass ihr Vater bei der Montanuni Leoben arbeitet und inzwischen ihr Rektor ist, hielt Anja Moser-Tscharf nicht davon ab, alle möglichen Universitäten und Fachhochschulen für ihr Studium in Betracht zu ziehen. Nachdem sie viele „Tage der offenen Tür“ besucht hatte, kam die Leobnerin zu dem Schluss: „Ehrlicherweise haben wir die beste technische Ausbildung vor der Haustür!“ Und blieb. Das „Flügge-Werden“ und Weggehen aus dem gewohnten Umfeld holte sie spätestens beim Masterstudium in Paris nach.

Moderner Bergbau
Ihren ursprünglichen Plan, „Kunststoff-Technik“ zu studieren, verwarf Anja Moser-Tscharf, nachdem sie sich einen Sommer lang damit beschäftigt hatte. „Ich habe gemerkt, dass mir das Material nicht gefällt.“ Und so schlug sie den Weg in Richtung Bergbau ein.
Wer Bergbau hört, denkt womöglich an enge Stollen und Männer mit Spitzhacken – den klassischen Untertagebau aus grauer Vorzeit. Aber in Österreich wird weit mehr Bergbau im Tagebau betrieben, wie etwa in Steinbrüchen oder Schottergruben. Untertage wird heute mit modernsten Maschinen beispielsweise Salz, Wolfram und Magnesit abgebaut. Mit letzterem hat Anja Moser-Tscharf ihre berufliche Laufbahn begonnen. Aus Magnesit werden feuerfeste Materialen hergestellt, erklärt sie mir. Ihre Arbeitgeberin, die RHI Magnesita, fertigt verschiedenste Feuerfest-Produkte „für sämtliche Hochtemperaturprozesse, wie beispielsweise in der Stahl-, Zement- und Glasproduktion“.

Männer-Domäne
In ihrem Studiengang gab es zwischen 15 und 20 Prozent Frauen. Bei ihrem ersten Job bei RHI Magnesita im Bereich Rohstoff-Abbau war sie die einzige Frau in der Abteilung. Nie hatte sie das Gefühl, anders behandelt zu werden oder nicht die gleichen Chancen oder Möglichkeiten zu haben. Aber „wenn ich einen 25 Kilo schweren Probensack durch das Werk schleppen muss, sage ich nicht nein, wenn ein Mann seine Hilfe anbietet“, auch wenn sie es selbst schaffen würde, erklärt die 33-Jährige.

Heute leitet sie die Europa-Abteilung einer zukunftsträchtigen Sparte des Unternehmens: Recycling. „Wir sorgen dafür, dass wir gebrauchte
Feuerfest-Materialien zurückbekommen, arbeiten sie auf und können damit einen Teil des Primär-Rohstoffes ersetzen“, beschreibt Moser-Tscharf die Vorgehensweise.


Mit Fachkompetenz Durchsetzungs-vermögen und Hartnäckigkeit überzeugen


Führungsstil
In ihrem jetztigen Team gibt es mehr Frauen als Männer. Diversität ist ihr ein Anliegen. Auch die verschiedensten Nationalitäten und die unterschiedliche Altersstruktur empfindet sie als förderlich: „Jeder bringt einen anderen Ausbildungs-Hintergrund und unterschiedliche Erfahrungen mit.“
„Ich bin nicht nur eine Frau, sondern auch eine junge Frau“, gibt Moser-Tscharf zu bedenken. „Unter ihr“ arbeiten beispielsweise Werksleiter, die im Alter ihres Vaters sind. Starre Hierarchien empfindet sie jedoch als veraltet. „Wir arbeiten auf Augenhöhe und erzielen unsere Erfolge gemeinsam.“
„Ich hatte immer gute Chefs, mit denen die Kommunikationsbasis gepasst hat“, ist sie froh. So will sie es als Vorgesetzte auch selbst halten: „Ich denke, mit mir kann man über alles reden und direkt sagen, wenn es Probleme gibt“, so Moser-Tscharf. Jeder soll sich gehört fühlen. Unabhängig ob Frau oder Mann, müsse man in ihrer Branche mit „Fachkkompetenz, Durchsetzungsvermögen und Hartnäckigkeit“ überzeugen.

Grünere Industrie
Nachhaltigkeit ist ihr persönlich ein wichtiges Anliegen und auch im Geist des Unternehmens fest verankert. „Wir sind eine extrem CO2-lastige Industrie, da die Rohstoffe im Bergbau Carbonate sind, die beim Weiterverarbeiten CO2 freisetzen“, erklärt sie. Daher steckt im Sammeln und Wiederverwenden von Gebrauchtem viel Zukunftspotenzial. Denn „wir wollen unsere Industrie so grün wie möglich
gestalten“.

Derzeit kommen etwas mehr als 10 Prozent der Rohstoffe des Unternehmens aus dem Recycling. Das Ziel geht Richtung 25 Prozent, erzählt Moser-Tscharf. „Da ist noch Luft nach oben“, weiß sie, „aber die füllen wir mit Innovationen und durch Forschung“, ist sie überzeugt.Da sie das „Lösen von Problemen“ als eine ihrer großen Leidenschaften beschreibt, wird es für die Luft nach oben wohl bald eng.

Frauenpower
Auf die Frage, was sie jungen Frauen mitgeben möchte, wird sie deutlich: Ein MINT-Fach (aus dem Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) ohne echtes Interesse zu studieren, nur in der Hoffnung auf bessere Jobchancen, sei nicht zielführend. Aber „wenn man Spaß an etwas hat, gibt es nichts, was einen aufhalten kann“, ist sie sich sicher. Weil man immer wieder davon hört, dass Frauen sich viele Dinge nicht zutrauen, appelliert sie: „Traut euch alles zu, und denkt nie, dass ihr für
etwas nicht gut genug seid!“

Katharina Grager

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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