Frauen - Leben | Teil 3
Mit auf den Weg geben
Die Lehrerinnen Schwester Hanna Neißl und Schwester Maria Riedl erzählen von ihrer Liebe zur Bildung und was sie den Erwachsenen von morgen vermitteln möchten.
Man muss den SchülerInnen helfen, die Welt zu verstehen, erklärt Schwester Hanna Neißl, Direktorin des Privaten Oberstufenrealgymnasium Graz-Eggenberg, ihren Zugang zum Unterrichten. „Gerade in Geschichte behalte ich es mir vor, sehr viel Aktuelles zu machen. Es gibt ja genug Anlässe im Moment. Dann kommen die alten Griechen eben etwas kürzer vor.“ Schwester Hannas Ordensgemeinschaft, die Franziskanerinnen von der Unbefleckten Empfängnis, gut bekannt als Grazer Schulschwestern, betreibt in der Steiermark fünf verschiedene Schulen und mehrere Kindergärten.
Traumberuf Lehrerin
Dass Irene Neißl, so Schwester Hannas Taufname, um ihre Berufung als Ordensfrau zu leben, einen Schulorden wählen würde, stand für sie von Anfang an fest. „Meine Mutter war Volksschullehrerin – ich bin also mit dem Thema Unterrichten groß geworden“, erzählt die 61-Jährige. Nach ihrem Theologie- und Geschichte-Studium schlägt sie schließlich den Weg in die Schule ein. Auch für Schwester Maria Riedl von den Ursulinen war der Schulorden obligatorisch, denn Volksschullehrerin war immer ihr Traumberuf. Die aus St. Stefan im Rosental stammende Steirerin begann deshalb gleich nach der Matura die Ausbildung zur Lehrerin.
Ihr Weg in den Orden war „keine gmahte Wiesn“, wie sie es schmunzelnd formuliert. Obwohl sie bei den Ursulinen in die Schule gegangen war, acht Jahre dort im Internat gelebt hatte, die Gemeinschaft gut kannte und mit 14 Jahren schon gefragt wurde, ob sie einmal eintreten möchte, nahm sie sich Zeit, ihren Entschluss zu prüfen. Also lebte sie einige Zeit als Zivilperson in der Gemeinschaft mit. Damals ein Novum – heute bekannt als „Kloster auf Zeit“.
Eine Schwester als Lehrerin in Ordenskleidung ist an einer von einem Orden geführten Schule keine Überraschung. Trotzdem haben die SchülerInnen, besonders Erstklässler, viele, mitunter auch lustige Fragen an Schwester Maria. Ihr Favorit: „Schläfst du im Ordensgewand, oder hast du einen Pyjama?“
"Herzensbildung heißt, den Kindern Werte mitzugeben."
Schwester Maria Riedl
Exotin im Ordenskleid
Dass die SchülerInnen kaum noch Kontakt mit Ordensmenschen haben, erlebt Schwester Hanna in der Oberstufe: „Da ist man meist sehr exotisch“, erklärt sie lachend. Es kämen alle möglichen Fragen – eine fand sie besonders amüsant: „Wie oft muss eine Ordensfrau in die Kirche gehen?“
Schwester Hanna hat sich vor einigen Jahren entschieden, die Ordenskleidung abzulegen und „in Zivil“ zu gehen. Es habe beides etwas für sich, und sie hat mit beidem langjährige Erfahrung gemacht: „Wenn ich im Ordensgewand mit dem Zug gefahren bin, saß ich keine zehn Minuten allein, und jemand erzählte mir seine Lebensgeschichte“, erinnert sie sich.
Dieser Vertrauensvorschuss rührt sie, doch „es gab auch andere Begegnungen, wo Leute glaubten, ich sei komisch oder altertümlich“. Mittlerweile erlebt sie vermehrt einen positiven Überraschungseffekt, wenn sie sich im Laufe eines Gesprächs als Ordensfrau zu erkennen gibt. In der Schule legt sie großen Wert darauf, dass die SchülerInnen und auch die Eltern sie mit „Schwester Hanna“ ansprechen und so ihre Ordenszugehörigkeit hörbar wird.
Reich beschenkt
Besondere Freude an ihrem Beruf als Volksschullehrerin machen ihr „die Kinder mit ihrer Ursprünglichkeit, Ehrlichkeit und Offenheit“, schwärmt Schwester Maria. Von ihrer positiven Neugierde und ihrer Unmittelbarkeit fühlt sie sich beschenkt. „Die Kinder jetzt brauchen ganz etwas anderes als die Kinder vor 30 Jahren“, weiß die 57-Jährige aus ihrer langjährigen Lehrerfahrung. Doch eines ist durchwegs gleich geblieben: „Sie müssen spüren, dass man sie gern hat!“
Das Mühsamste an ihrer Arbeit sei definitiv die Administration, meint Schwester Maria. „Das nimmt unverhältnismäßig viel Zeit in Anspruch“, ist sie überzeugt. Und damit steht sie nicht allein. Auch Schwester Hanna resümiert nach 36 Jahren im Schuldienst: „Die Bürokratie hat in den letzten Jahren sehr zugenommen und ist teils wirklich überbordend.“
"Bildung ist mehr als Wissen. Wissen ist das Fleisch am Skelett."
Schwester Hanna Neißl
Trotzdem verlieren die beiden Lehrerinnen nicht die Freude an ihrer Arbeit. Groß ist die Motivation, ihren Schülerinnen und Schülern etwas fürs Leben mitzugeben. „Herzensbildung“ nennt Schwester Maria die Werte, die alle Ausbildungsstätten der Ursulinen ihren AbsolventInnen mit auf den Weg geben wollen. „Die aus dem Glauben gewachsenen Werte sind eine Kostbarkeit“, ist Schwester Maria überzeugt.
„Neugierde zu wecken, nicht jedem, der tolle Rhethorik schwingt, gleich auf den Leim zu gehen, sondern hinter die Dinge schauen zu können“, sind Fähigkeiten, die Schwester Hanna ihren SchülerInnen durch ihren Unterricht vermitteln möchte. Ob es gelingt? Sie erinnert sich an ein 20-jähriges Maturatreffen: „Nicht nur, dass viele eine super Karriere gemacht haben, sondern das sind Menschen, die einen nicht hängen lassen würden, wertvolle Mitglieder der Gesellschaft, auf die man bauen kann!“
Geborgenheit in Gott
Bildung heißt für Schwester Maria unter anderem, „verantwortungsvoll mit den Fragen der Kinder umzugehen, sie ehrlich zu beantworten und darin Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln“. Auf die Frage, ob ihre Lebensform als Ordensfrau sich auf ihr Unterrichten auswirkt, ist sich Schwester Maria sicher: „Wenn das nicht so wäre, dann wäre ich nicht authentisch“, erklärt sie.
„Mein Unterrichten ist zugleich auch Verkündigung“, ist die Volksschullehrerin überzeugt, obwohl sie nicht Religion unterrichtet. Ein beliebter Irrtum übrigens: „Mich halten viele Eltern für die Religionslehrerin.“ Was sie ihren SchülerInnen aus ihrem Glauben heraus vermitteln möchte: „Geborgenheit in Gott mit allen Zweifeln und Anfragen, die es auch in meinem Leben gibt.“
Größte Freude
Für Schwester Hanna ist Bildung „mehr als Wissen“. Bildung ist die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen, sich weiterzuentwickeln – im Denken und im Verhalten. „Ohne Wissen geht es natürlich nicht“, ergänzt sie. Wissen sei „das Fleisch am Skelett.“
Auch wenn für die Schuldirektorin das „Alltagsgeschäft mitunter sehr aufreibend sein kann“, sind es jene Momente, die sie antreiben: „Für mich ist es die größte Freude, zu sehen, was in diesen vier Jahren bei uns aus den SchülerInnen geworden ist.“ Und die jungen Menschen überraschen sie immer wieder. „Oh ja, es kommt vor, dass ich mir bei Einzelnen denke: ‚Hätt‘ ich nicht gedacht, dass du dich so entwickelst!‘ Dann weiß ich: Ja, es ist es wert!“
Katharina Grager
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.