Gerecht leben - Fleisch fasten. 2015 | Teil 01
Meine Nachbarin hat mit großer Achtung gefastet
Im Interview: Elisabeth Fritzl
Sie ist Referentin im Pastoralamt für Seelsorge und Diakonie und Koordinatorin von www.fleischfasten.at
Neben der „Aktion Familienfasttag“ und dem „Autofasten“ ermuntern Sie auch heuer wieder zum „Fleischfasten“. Das Fasten ist modern geworden?
In den letzten Jahren ist das „Fasten“ für die Menschen ungemein wichtig geworden. Es ist eigenartig zu bemerken, wie eine zutiefst christliche Haltung zu einem gesellschaftlich (und manchmal auch wirtschaftlich) so wichtigen Phänomen geworden ist, das mit den religiösen Grundgedanken oft wenig zu tun hat. Ich kann mich noch an eine Zeit erinnern, wo ich belächelt wurde, wenn ich gesagt habe, dass ich faste. Als Kirche leben wir natürlich dort, wo Menschen überlegen, wie sie ihre Bedürfnisse gut leben können. Wir können aus dem Erfahrungsschatz der Kirche hier sehr viel beitragen zum Thema Fasten.
Fasten irritiert. Besonders das „Fleischfasten“ ist ja für die Bauern im Land nicht einfach. Will man sie entmutigen?
Überhaupt nicht, im Gegenteil. Ich erinnere mich gerne an meine Nachbarin, die als Bäuerin von der Viehwirtschaft lebt. Eine sehr religiöse Frau. Während der Fastenzeit hat sie kein Fleisch gegessen. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie damit das Fleisch „abwerten“ wollte. Sie hat dies mit mit einer sehr großen Achtung dem Fleisch gegenüber gemacht.
Worauf möchten Sie mit Ihrer Aktion hinweisen?
Unsere Aktion heißt „Gerecht leben – Fleisch fasten“. An erster Stelle fragen wir also: Wie kann man in dieser unglaublich komplizierten Welt „gerecht“ leben. Für uns Christen hat das Fasten ja drei Dimensionen, die im Idealfall harmonisch zusammenspielen. Da ist zunächst natürlich die „spirituelle Dimension“: Durch die ehrliche Selbstbegegnung wollen wir offen werden für eine Begegnung mit Gott. Dann kommt natürlich auch eine gewisse „medizinische Dimension“ dazu. Durch Entwässerung, Abbau von Fett usw. kommt es sicher auch zu einer gewissen Regeneration von Körperzellen. Und schließlich hat das Fasten auch „soziale“ Dimensionen. Wenn man sich für eine gewisse Zeit „zurücknimmt“, kann man Dinge viel klarer in ihrem sozialen und ökologischen Zusammenhang betrachten. Ich glaube, dass diese letzte Dimension in den letzten Jahren immer wichtiger geworden ist. Mit unserer Aktion wollen wir die komplexen Zusammenhänge der Fleischproduktion in einen sozialen und ökologischen Zusammenhang stellen und so die verschiedenen Aspekte zum Thema „Fleisch“ sichtbar zu machen.
Was erwarten Sie sich von der Aktion?
Die Aktion „Gerecht leben – Fleisch fasten“ greift die alte katholische Tradition des Verzichts auf Fleisch in der Fastenzeit auf. Wir ermuntern dazu, sich mit dem eigenen Verhalten und den damit verbundenen lokalen, regionalen aber auch globalen Auswirkungen unseres Fleischkonsums zu beschäftigen.
Was antworten Sie einem Bauern, der von der Fleischproduktion lebt?
Ich glaube, dass jeder halbwegs solidarisch denkende Mensch sich bei uns für eine Verbesserung der Situation der bäuerlichen Bevölkerung in Österreich einsetzt wird. Dies steht für uns immer im Vordergrund. Und eben deshalb möchten wir gewisse Dinge und Entwicklungen sichtbar machen.
Fleisch ist das einzige Lebensmittel, dass seit den 1970er Jahren keinerlei Preissteigerung erfahren hat. Wenn man nur die Inflation der letzten 40 Jahre einrechnet, müsste ein Kilogramm Schweinsschnitzel heute im Supermarkt etwa 20 Euro kosten und nicht 4,99 Euro, wie derzeit oft im Angebot. Sehr viele Bauern und Bäuerinnen mussten und müssen aufgrund des enormen Kostendrucks und Preisdrucks ihre Höfe aufgeben. Sie sind abhängig von den schwankenden und steigenden Preisen von Eiweißfuttermitteln für die Produktion, müssen immer mehr investieren. Da sie derzeit nur über große Mengen ihren Lebensunterhalt erwirtschaften können, leiden sie sehr durch die anhaltend niedrigen Preise. Genau auf diese Zusammenhänge wollen wir mit der Aktion „Gerecht leben – Fleisch fasten“ hinweisen.
Heinz Finster
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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