Gerecht leben - Fleisch fasten. 2014 | Teil 05
Jesu Frohbotschaft für alle Geschöpfe
Jesus Christus hat Barmherzigkeit und Mitgefühl gepredigt und praktiziert. Er hat sich mit den Armen, Kleinen und Benachteiligten solidarisiert und damit auch mit jenen Geschöpfen, die allzu oft unter menschlicher Grausamkeit leiden: den Tieren. Er verkündete, dass sich Gottes Vorsehung auf alle erstrecke, auch auf Tiere. Laut Jesus ernährt der himmlische Vater die Vögel des Himmels (Mt 6, 26) und vergisst keinen einzigen von ihnen (Lk 12, 6). Wenn es darum geht, ein Schaf aus einer Grube herauszuziehen oder einen Ochsen aus einem Brunnen, ist für Jesus sogar das ehrwürdige Gebot der Sabbatruhe außer Kraft gesetzt (Mt 12,11; Lk 14,5).
Die Sorge Jesu und seines himmlischen Vaters um die Tiere ist also in den Schriften des Neuen Testamentes grundgelegt. Darauf aufbauend haben sich auch spätere außerbiblische Schriften mit Jesu Beziehung zu den Tieren beschäftigt. Nach dem um die Mitte des 2. Jahrhunderts entstandenen, nur in Fragmenten erhaltenen Ebionitenevangelium ernährte sich Jesus vegetarisch. Wie dem auch sei, auf alle Fälle waren Jesus die Tiere nicht gleichgültig. Das wird etwa in folgender, auf einem koptischen Manuskript zu findender Geschichte anschaulich dargestellt: Jesus verließ die Stadt und ging mit seinen Jüngern über die Berge. Auf einem steilen Wegstück trafen sie einen Mann mit einem Maulesel. Das Tier war hingefallen, denn die Last, die es trug, war zu schwer. Der Mann schlug das Tier so heftig, dass es blutete. Jesus ging auf ihn zu und sagte: „Warum schlägst Du Dein Tier? Siehst Du nicht, dass es für seine Last zu schwach ist, und weißt Du nicht, dass es Schmerzen leidet?“ Der Mann jedoch antwortete: „Was geht das Dich an? Ich kann es so viel schlagen, wie ich will, denn es ist mein Eigentum.“ Jesus ging auf das Tier zu und berührte es. Der Maulesel erhob sich, und seine Wunden waren geheilt. Jesus sagte zu dem Mann: „Nun geh’ weiter, und schlage Deinen Maulesel nicht mehr, damit auch Du Barmherzigkeit findest.“
Als im Laufe des 19. Jahrhunderts an der Universität Oxford Tierversuche als For-schungsmethode eingeführt wurden, war der 2010 seliggesprochene englische Kardinal John Henry Newman äußerst empört darüber. In seiner Predigt vom Karfreitag des Jahres 1842 stellte Newman Schmerz und Leid unschuldiger Tiere in einen christologischen Kontext. Er verglich das Tierleid mit dem Leiden des unschuldigen Gottessohnes: „Denkt daran, was ihr fühlt, wenn Tiere gequält werden. Damit gewinnt ihr einen Zugang zu jenen Gefühlen, die auch die Geschichte von Jesu Kreuz und Leiden in Euch hervorrufen sollte.“
Kurt Remele
ist Ao. Univ.-Prof. am Institut für Ethik und Gesellschaftslehre der Karl-Franzens-Universität Graz.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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