Frauen - Leben | Teil 5
Ignorierte Charismen
Zwei Frauen erzählen von ihrer Berufung zur Diakonin, wie sie trotzdem diakonisch tätig sind und was die Weihe ändern würde.
Ohne uns Frauen, ohne echte Geschlechtergerechtigkeit, schafft die Kirche den Weg zu den Menschen nicht“, ist Elke überzeugt, „nicht mehr lange“, fügt sie hinzu. Elke heißt nicht wirklich Elke. Sie möchte ihren Namen nicht in der Zeitung lesen. Zu persönlich ist das, worüber ich mit ihr spreche. Elke würde Diakonin in der katholischen Kirche werden. Doch das Diakonat, das nach dem zweiten Vatikanischen Konzil (1962–65) zwar für verheiratete Männer geöffnet wurde, steht Frauen nicht offen.
Evangelisch werden?
Ihre Berufung war kein Lichtblitz von oben, aber trotzdem hat es sie plötzlich getroffen, erzählt Julia (Auch ihr Name wurde auf ihren Wunsch geändert). Bei einem ökumenischen Gottesdienst legte eine Diakonin der evangelischen Kirche das Evangelium aus: „Da war auf einmal das Gefühl bei mir da: ‚Das wär's!‘“, erzählt Julia von ihrem Berufungserlebnis. „Es war plötzlich eine ganz starke innere Sicherheit da.“
„Warum konvertierst du nicht zur evangelischen Kirche?“, ist eine Frage, die wohl schon einige katholische Frauen zu hören bekamen, besonders wenn es um die Frauenweihe geht. In der evangelischen Kirche in Österreich gibt es seit 1965 Frauen als Pfarrerinnen. „Konvertieren war nie eine Frage“, sagt Julia mit Nachdruck. „Ich bin mit Haut und Haaren katholisch.“
Dass Frauen in der katholischen Kirche nicht Priesterin und auch nicht Diakonin werden können, ist seit Jahrzehnten ein – auch mit römischen Dokumenten nicht zu stoppendes – Diskussionsthema. Nicht nur in den Pfarren, auf Podien oder in theologischen Lehrsälen ist es immer wieder im Gespräch, auch an den runden Tischen beim ersten Treffen der Weltbischofssynode kam es zur Sprache. Papst Franziskus scheint durch seinen offeneren Umgang mit den sogenannten katholischen „heißen Eisen“ neue Fenster in diese Richtung aufgestoßen zu haben. Ob sich auch Türen öffnen werden?
Ohne uns Frauen schafft die Kirche den Weg zu den Menschen nicht mehr lange.
Klerikalismus
Dass sie nicht Priesterin werden will, wusste Julia früh. Dass Frauen in der katholischen Kirche aber nicht Priesterin werden können, stört sie trotzdem. Was sie zum Diakonat hinzieht, ist „Gottes Liebe zu den Kleinen und Armen“, beschreibt sie. „In minimis deus maximus – in den Kleinsten ist Gott am größten“, zitiert sie ein Sprichwort, das ihre Sicht auf das Diakonat gut wiedergibt.
Julia lebt ihren diakonisch geprägten Glauben schon sehr lange ehrenamtlich aus. Was eine Weihe ändern würde? „Mehr Möglichkeiten, von Gott zu erzählen und ihn sichtbar zu machen“, ist sie sich sicher. „Weihen sind ja kein Zeichen dafür, dass wir uns selbst rausstellen, sondern, dass wir gerufen werden!“, legt sie nach. Den Einwand von Papst Franziskus gegen die Frauenweihe, dass er nicht möchte, dass Frauen klerikalisiert würden, belächelt sie: Frauen könnten sich genauso gut gegen Klerikalismus wehren wie Männer. Und „Klassendenken gibt es nicht nur bei Klerikern“, fügt sie hinzu.
Die gläserne Decke
„Mit meinem Mann habe ich schon einmal ‚gescherzt‘, dass wir uns einfach zur Diakonen-Ausbildung anmelden sollten – aber in vertauschten Rollen“, lacht Elke. Wie ein Schleier legt sich kurz eine leise Trauer über ihr Lachen. Aber nicht lange: Denn „ich habe gar keine Zeit, darüber zu trauern, dass es das Frauendiakonat in der katholischen Kirche nicht gibt“, erklärt sie. Das lässt ihr Alltag nicht zu. Mit Familie, pastoralem Beruf und Ehrenamt ist sie gut beschäftigt.
„Da ist auch viel diakonisches Tun und Wirken dabei“, sieht Elke ganz klar, „und ich darf es ja auch so benennen, aber es ist halt so nicht anerkannt.“ Eine Situation, die Frauen in der Kirche regelmäßig erleben, meint sie: „Oft sind wir Frauen es, die tun, und in die erste Reihe wird dann ein Vertreter gestellt.“
Zur Illustration erzählt sie von einer Erfahrung: „Einmal durfte ich eine junge Frau auf ihre Taufe vorbereiten.“ Eine Tätigkeit, die in der katholischen Kirche auch Nicht-Geweihte mit theologischer Bildung übernehmen können. Der gemeinsame Weg hat beide Frauen sehr bereichert und zusammen wachsen lassen. Stimmig wäre es gewesen, wenn Elke ihr auch das Sakrament gespendet hätte. „Aber so habe ich halt im Chor mitgesungen und ihr danach gratuliert“, ergänzt sie.
Die Traurigkeit ist jetzt einem Anflug von Wut gewichen. Aber „Wut ist ein zu großes Wort“, relativiert Elke. Sie fühlt sich eher „grantig“ und genervt von der gläsernen Decke in der Kirche, die „ich selbst nicht verschieben kann“.
Berufungen prüfen
Dass die katholische Kirche Berufungen von Frauen nicht einmal prüft, findet Julia nicht klug. Sie kennt Frauen, die sich wegen geringer Wertschätzung und fehlenden Möglichkeiten aus der Kirche zurückgezogen haben – ehren- wie hauptamtlich. Dass Kirche hier „Charismen ignoriert“, ärgert sie.
Die „Prüfung“ einer Berufung könnte auch eine Hilfe sein, weiß sie aus eigener Erfahrung: „Es ist ein zartes Pflänzchen, das gerade erst wächst“, erklärt Julia ihre Berufung. „Eine Sache zwischen mir und Gott.“ Da die Weihe zur Diakonin im Moment noch nicht möglich ist, kann sie ganz ohne Druck an die Sache herangehen.
Wenn sich das ändern würde, „müsste ich mir noch einmal gut überlegen, ob ich es wirklich machen will“, gibt sie zu bedenken. Sie kennt aber Frauen, die „wenn es heute heißt, morgen ist die Weihe möglich, sofort bereit wären“. Aber „ich habe Gott versprochen, dass ich dranbleibe“, sagt sie mit einem Lächeln.
Weihen sind kein Zeichen dafür, dass wir uns selbst rausstellen, sondern dafür, dass wir gerufen werden.
Tochter von Mutter Kirche
Von einer Aktivistin aus Amazonien hörte Elke einen Satz, der ihr tief ins Herz ging: „Wir sind die Töchter, die ihre kranke Mutter gesund pflegen.“ Gemeint war Mutter Erde. Sie als „Kirchenmensch“ verstand den Satz auf doppelte Weise: „Mir wurde beigebracht unsere Gemeinschaft, die Kirche, so zu nennen und zu sehen. Und ich bin wohl eine ihrer Töchter ...“
Dass „Mutter Kirche“ ihre „Töchter“ stiefmütterlich behandelt, ist für viele nicht mehr von der Hand zu weisen. Auch wenn im Vatikan noch die Unterschiede zwischen den zwei Geschlechtern – männlich und weiblich – Dokument für Dokument vergeblich festgeschrieben werden. Die Wirklichkeit geht daran vorbei, wie an einer alten Telefonzelle – einer stummen Zeugin der Veränderung.
Wenn Männer und Frauen so verschieden sind, wie die vatikanischen Dokumente meinen: Wäre es nicht eine große Bereicherung für das „Amt“ und die Kirche, wenn es geweihte Frauen, wie zum Beispiel Diakoninnen, gäbe?
Katharina Grager
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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