Benedikt heute | Teil 03
Auf Junge und Kritiker hören
Dass Ältere Jüngere fragen müssen (siehe PC), ist wohl ziemlich neu in der Menschheitsgeschichte. Denn bis dahin hatten naturgemäß nur die Erwachsenen Erfahrung, sei es auf dem Bauernhof, in einer Fabrik, in einem Kloster oder in der Kirche. In letzterer geht immer noch ein Raunen durch die Reihen, wenn einer mit 50 Jahren Bischof wird. So jung! Darum ist der hl. Benedikt seiner Zeit (er lebte im 6. Jahrhundert) ziemlich voraus, wenn er in seiner Mönchsregel bei Beratungen die Einbeziehung der Jüngeren fordert.[/p]
Junge Ideen und Gott.
Die Jüngeren sind in ihren Ideen oft spontaner und unbelasteter. Sie nehmen keine falschen Rücksichten und nennen die Dinge beim Namen. Gerade durch diese ihre Art kann sich Gott (der scheinbar offen ist für junge Ideen) einbringen, meint der hl. Benedikt.
Man schlägt die Meinung der Jüngeren meist in den Wind mit dem Argument, sie seien zu kritisch eingestellt, es fehle ihnen die Erfahrung, sie würden die Komplexität eines Problems nicht erkennen etc. Benedikt teilt diese Meinung nicht. Es geht ihm ja ausschließlich darum, was der Gemeinschaft als ganzer zum Wohle dient. Und das offenbart der Herr oft einem Jüngeren.
Mantel statt Lappen.
Ähnlich sieht es Benedikt bei den Gästen, wenn diese an die Adresse des Klosters eine Kritik anbringen. Die natürliche Reaktion des Gastgebers ist in einem solchen Fall: „Wenn es Ihnen nicht passt, können Sie woanders hingehen!“ Der hl. Benedikt teilt diese Meinung nicht. Gewiss ist auch er dafür, dass man Kritik nicht wie einen nassen Lappen jemandem um die Ohren haut, sondern sie wie einen Mantel hinhält. Er schreibt: „Falls ein Gast wohlwollend eine Kritik anbringt oder auf etwas hinweist, soll der Abt klug überlegen, ob ihn der Herr nicht eben deswegen ins Kloster geschickt hat.“ So etwas zu schreiben braucht Reife und Demut im guten Sinn. Man hört nicht gern Kritik, weder als Einzelner noch als Gemeinschaft.
Der Tellerrand.
Aber der Einzelne wie auch die Gemeinschaft sind immer in Gefahr, nicht über den eigenen Tellerrand zu blicken. Man schwimmt jahrelang in der eigenen Suppe. Es fehlt der Überblick, der Abstand. Da kann oft nur jemand helfen, der von auswärts kommt. Der auf Dinge aufmerksam macht, die man selber nicht (mehr) sieht. Benedikt erkennt hinter solcher Kritik den Herrn am Werk. Gott benutzt den Kritiker (wohl in Ermangelung anderer Möglichkeiten) als Hilfe, um etwas zu korrigieren oder jemanden weiterzubringen. In meiner 25-jährigen Tätigkeit als Gymnasiallehrer in Einsiedeln habe ich von den Studenten nebst Lob auch Kritik eingefangen, die sehr direkt sein konnte und mir nicht immer wie ein Mantel hingehalten wurde. Im Rückblick muss ich dafür dankbar sein.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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