APROPOS Jesus | 60 Fragen - 60 Antworten
53. Wie ist das mit dem Heiligen Geist?

 

Schon in den heiligen Schriften des Volkes Israel, wie sie zur Zeit Jesu in den Synagogen vorgelesen werden, ist oft vom „Geist“ Gottes die Rede (z. B. Lk 4,16–19). Das hebräische Wort dafür lautet rúach und bedeutet: Wind, Hauch, Atem, Lebenskraft, Energie. Gottes „Geist“ ist demnach eine dynamische, erfrischende, belebende Wirklichkeit. Interessant ist auch, dass rúach in der hebräischen Bibel meist weiblich ist. (Das gilt auch für das Aramäische, die Alltagssprache Jesu. Gottes Geist wird also damals weiblich gedacht und gefühlt!) Gottes heiliger Geist ist die (mütterliche) Lebenskraft Gottes, die die ganze Schöpfung durchweht und Leben hervorbringt, Menschen erwählt, sie ermutigt, stärkt, großzügig macht und für Gott begeistert. Priester und Könige werden im Alten Israel mit (heiligem) Öl gesalbt und gelten dann als Geist-Gesalbte und Geist-Gestärkte. Das Wort Meschiach (Messias) heißt „Gesalbter“ und meint eine vom Geist Gottes erwählte und erfüllte Person.

Wenn Jesus von Nazaret im Neuen Testament als Christus bezeichnet wird, ist das der griechisch-lateinische Ausdruck für „Messias“. Jesus wird als „geliebter Sohn“ Gottes verkündet, den Gott mit Heiligem Geist gesalbt und erfüllt hat (vgl. Mk 1,9–11). Gott, Jesus und Heiliger Geist gehören untrennbar zusammen, wenn von der Liebe Gottes zur Welt die Rede ist. (Die kirchliche Lehre von der Dreifaltigkeit Gottes versucht später, dieses Ineinander und Miteinander von Gott, Jesus und Heiligem Geist in Begriffe zu fassen.)

Jesus selbst spricht laut Evangelien öfter vom Heiligen Geist. Das Neue Testament – es wird bekanntlich nicht aramäisch, sondern griechisch verfasst – verwendet dafür das (sächliche) Wort pnéuma, das mit dem (männlichen) Wort „Geist“ ins Deutsche übersetzt wird, wodurch der Heilige Geist bei uns einseitig als männlich empfunden wird. Es ist daher ratsam, auch das ursprünglich Weibliche mitzudenken.

Gefragt wird auch oft: Ist der Heilige Geist eine Kraft oder eine Person? Im Neuen Testament wird er sowohl als göttliche „Kraft“ (Lk 24,49) als auch mit stark personalen Zügen vorgestellt. So warnt Jesus davor, den Heiligen Geist zu „lästern“. Denn im Unterschied zu den Sünden gegen Gott und den Menschensohn sei diese Sünde unverzeihlich (vgl. Mk. 3,28f.; Mt 12,31f.; Lk 12,10). Warum das? – Gedeutet wird dieses Jesuswort meist so: Gegen den Heiligen Geist sündigt, wer in seinem Innersten die Wahrheit und das Gute mit Hilfe des Heiligen Geistes bereits klar erkannt hat, vom Heiligen Geist auch die nötige Kraft zum Guten hat, aber trotzdem stur an der eigenen Bosheit festhält. Das und nur das macht Vergebung unmöglich. Alle hingegen, „die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind Kinder Gottes.“ (Röm 8,14)

Im Johannesevangelium wird der Heilige Geist als „Geist der Wahrheit“ und als parákletos (griechisch für Anwalt, Beistand) bezeichnet. Denn Jesus verspricht laut Johannes beim Letzten Abendmahl, er werde die Seinen nicht „als Waisen“ in der Welt zurücklassen, sondern nach seiner „Erhöhung“ Gott-Vater bitten, ihnen den Geist zu senden, damit er bei ihnen „bleibe“, sie an Jesus „erinnere“, ihn „verherrliche“ und sie die „ganze Wahrheit“ verstehen lasse (vgl. Joh 14,16–18.26; 16,7–15). Anders gesagt: Das Einmalige, das Gott mit Jesus in der Welt begonnen hat, hört mit dessen irdischer Existenz nicht auf, sondern bleibt durch den Heiligen Geist weiterhin lebendig, frisch, aktuell und erschließt sich jeder Zeit auf neue Weise. Ohne Heiligen Geist bliebe Jesus bloß eine historische Gestalt, ein Stück Vergangenheit. Durch den Heiligen Geist ist er lebendige Gegenwart und kann auch heute allen nahe sein – immer und überall.

Karl Veitschegger

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SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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