APROPOS Jesus | 60 Fragen - 60 Antworten
50. Warum wird Jesus „Sohn Gottes“ genannt?

 

Eine erste Antwort: Weil Jesus zu Gott gehört, ihm nahe ist. – Aber beginnen wir von vorne. Woher kommt dieser Titel? Was bedeutet er in der Bibel? In welchem Sinn ist Jesus Sohn Gottes? Wie ist er Sohn Gottes?

Wie ein KÖNIG? – Im Alten Israel darf der König von sich sagen: „Den Beschluss des HERRN will ich kundtun. Er sprach zu mir: Mein Sohn bist du. Ich selber habe dich heute gezeugt.“ (Ps 2,7) Die Thronbesteigung eines Königs wird (ähnlich wie im Alten Ägypten) als „Geburt aus Gott“ verstanden. Der König wird zum Mittler zwischen Göttlichem und Menschlichem. Ein König ist also „Sohn Gottes“, auch wenn man ihn in Israel nicht als Gott verehrt. Für die ersten Christinnen und Christen ist der auferstandene Jesus auch ein „König“. Aber er ist auch mehr…

Wie ein MESSIAS? – Diese in Israel ersehnte Hoffnungsgestalt hat auch eine besondere Nähe zu Gott. Messias heißt „Gesalbter“. Er ist von Gott erwählt und mit seinem heiligen Geist gesalbt. Eine Stelle im Buch Jesaja spricht von der Geburt eines Friedensbringers: „Ein Kind wurde uns geboren, ein Sohn wurde uns geschenkt. […] Man rief seinen Namen aus: Wunderbarer Ratgeber, starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens.“ (Jes 9,5f.) Werden hier nicht einem neugeborenen Messias (Christus) göttliche Eigenschaften zugeschrieben? Liegt es nicht nahe, dass die ersten Christinnen und Christen dieses Prophetenwort in Jesus erfüllt sehen?

Wie ein MENSCHENSOHN? – Jesus wird von seiner Anhängerschaft früh als Sohn Gottes bezeichnet, aber in den Evangelien nennt sich Jesus selbst oft „Menschensohn“. Ein Gegensatz? Im Hebräischen bezeichnet „Sohn“ schlicht die Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Jesus ist somit Teil der Menschheit, einfach ein Mensch, „einer von uns“. Das wollte Jesus sicher auch sein. Aber „Menschensohn“ (hebräisch ben-adam, aramäisch bar-enasch) – das gilt es zu beachten! – ist damals zugleich die Bezeichnung für eine besondere Gestalt aus dem göttlichen Bereich. In den Visionen des Buches Daniel kommt am Ende der Tage „einer wie ein Menschensohn“ „mit den Wolken des Himmels“ (Dan 7,13) und wird mit Königswürde und ewiger Herrschaft von Gott bedacht. Darauf nimmt das Matthäusevangelium direkt Bezug, wenn Jesus anlässlich seines Verhörs vor dem Hohen Rat auf die Frage des Hohepriesters „Bist du der Christus, der Sohn Gottes?“ antwortet: „Du hast es gesagt. Von nun an werdet ihr den Menschensohn zur Rechten der Macht sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen sehen.“ (Mt 26,63f. par.) Demnach ist Jesus nicht nur ein Mensch „wie du und ich“, sondern auch der, der von Gott kommt und zu seinem Ursprung zurückkehrt. Das Johannesevangelium betont die göttliche Herkunft des Menschgewordenen: „Was werdet ihr sagen, wenn ihr den Menschensohn aufsteigen seht, dorthin, wo er vorher war?“ (Joh 6,62)

Wie ein KIND? – Hinter der Bezeichnung „Sohn Gottes“ steckt die unbändige Hoffnung, die schon im Alten Israel und im Judentum anklingt: Hoffnung auf endgültiges Heil, auf das geglückte Miteinander von Gott und Mensch. Es ist in der Bibelwissenschaft umstritten, ob der historische Jesus sich selbst direkt als „Sohn Gottes“ bezeichnet hat, aber wichtiger ist: Er hat Gott ganz liebevoll Abba, also „Papa“, genannt und lebte von dessen Liebe: „Du bist mein geliebter Sohn“ (Mk 1,11). Auch kurz vor seiner Verhaftung im Garten Getsemani wendet sich Jesus in großer Angst, aber voll Vertrauen mit diesem Wort an Gott: Abba (Mk 14,36). Das ist Ausdruck einer einmaligen Nähe, wie sie auch im gesamten Leben und Wirken Jesu immer wieder erfahrbar wird. Das spätere christliche Dogma knüpft hier an, wenn es über die Einheit von Gott und Jesus (vgl. Joh 1,18; 10,30) nachdenkt und diese Innigkeit in Begriffe zu fassen versucht.

Ist es nicht verständlich und angemessen, wenn Jesus seit den Tagen der Apostel von Christinnen und Christen „Sohn Gottes“ genannt wird?

Irene Maria Unger

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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