APROPOS Jesus | 60 Fragen - 60 Antworten
47. War das Grab Jesu nach der Auferstehung leer?
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Darüber wurde in der evangelischen und katholischen Theologie schon viel diskutiert. Es hängt ja auch mit der Frage zusammen, wie man sich eine „leibhafte Auferstehung“ vorstellen kann: Wird ein toter Körper aus dem Grab „geholt“ und verwandelt oder ein neuer „Leib“ geschaffen? Paulus schreibt z. B. über die Auferstehung der Toten: Es stirbt der natürliche Leib, aber auferweckt wird ein „geistlicher (!) Leib“ (1 Kor 15,44 wörtlich). Aber was ist ein „geistlicher Leib“? Schwierig. Sicher etwas anderes als ein reanimierter Leichnam. Letztlich wird man nicht alles erklären können und auch nicht müssen. Im Judentum zur Zeit Jesu sind die Vorstellungen, wie Gott die Toten „auferweckt“, sehr unterschiedlich. (So glauben z. B. Herodes Antipas und andere Leute, der irdische Jesus sei der von den Toten auferstandene Johannes der Täufer, obwohl dessen enthaupteter Leichnam im Grab liegt. Vgl. Lk 9,7–9; Mk 6,14–16 par.; Mk 6,29)
Eines ist sicher: In den ältesten Schichten des Neuen Testamentes ist von einem leeren Grab noch nicht die Rede. Das heißt aber nicht, dass das Grab Jesu nicht leer war! Es ist für viele bis heute ein ganz wichtiges Zeichen der Hoffnung. Die Evangelien – sie entstehen in ihrer heutigen Form erst nach der Zerstörung Jerusalems (70 n. Chr.) – erzählen dann in ihren Ostergeschichten auch vom leeren Grab, Markus noch ganz kurz, die späteren Evangelien immer ausführlicher. Aber sie alle lassen erkennen: Nicht das leere Grab führt die Jüngerinnen und Jünger zum Osterglauben – der Leichnam könnte ja auch auf natürlichem Weg beseitigt worden sein – sondern erst durch die „Erscheinungen“ wächst in ihnen zunehmend die Überzeugung: Jesus ist höchst lebendig, nicht bloß als „Geist“ oder „unsterbliche Seele“, sondern als ganze in Gott vollendete und „verherrlichte“ Person des Gekreuzigten. Nichts kann lebendiger sein als er. – Da sind sich alle Quellen einig.
Erwähnt sei in diesem Zusammenhang auch das Phänomen der Regenbogenkörper aus einem ganz anderen Kulturkreis. Der Benediktiner David Steindl-Rast beschreibt das so: „Es handelt sich um ein Phänomen, das in Tibet seit Jahrhunderten beschrieben wurde, auch heute noch vorkommt und gut bezeugt ist. In einem typischen Fall bittet ein Lehrer vor seinem Tod, seine Leiche für einige Zeit ungestört zu lassen. In dieser Zeitspanne – etwa ein bis zwei Wochen – schrumpft dann der von einem Tuch bedeckte Leichnam nach und nach zusammen, oder er verschwindet auch ganz, wobei manchmal Haare und Nägel zurückbleiben. Häufig erscheint der Verstorbene noch eine Zeitlang seinen Jüngern, nicht aber der Öffentlichkeit. Lichterscheinungen wie Regenbogen spielen dabei eine Rolle; daher der Name.“ (in: Credo. Ein Glaube, der alle verbindet, 2011, 153f.)
Zurück zu Jesus: Jerusalem wurde 70 n. Chr. völlig zerstört. Im vierten Jahrhundert wird durch besondere Bemühungen der christlichen Kaisermutter Helena ein bestimmter Platz in Jerusalem als „Heiliges Grab“ und „Ort“ der Auferstehung Jesu identifiziert und mit einem Kirchenbau gekrönt. Unzählige Pilger und Pilgerinnen sind seither nach Jerusalem in die Grabeskirche (griechisch auch Anástasis, „Auferstehung“, genannt) gekommen. Für viele ist sie ein Ort eindrucksvoller Glaubensstärkung.
Die Osterhoffnung selbst ist freilich an keinen geografischen Ort gebunden. Schon gar nicht an ein Grab. Denn: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden.“ (Lk 24,5f.)
Karl Veitschegger
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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