APROPOS Jesus | 60 Fragen - 60 Antworten
28. Hatte Jesus Sex?

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Romane und Filme, in denen über Jesu Liebschaften, Partnerinnen und von ihm gezeugte Kinder spekuliert wird, verkaufen sich gut. Wer allerdings seriös forscht, muss zugeben, dass die Quellenlage dafür nicht ergiebig ist. Folgt man den ältesten Quellen, unterhielt Jesus zwanglos freundschaftliche Beziehungen zu Männern und Frauen. Er hatte auch Jüngerinnen (vgl. Mk 15,40f.), unter denen Maria aus Magdala eine besondere Rolle spielte. Sie war nach dem Johannesevangelium die erste Person, der er nach seiner Kreuzigung als Auferstandener erschien (vgl. Joh 20,1–18). Darum wird sie in der christlichen Tradition „Apostelin der Apostel“ genannt. Erst eine späte im Abendland entstandene Legende macht sie zur Prostituierten, die durch die Begegnung mit Jesus zur großen Büßerin geworden sei. Das regte die Fantasie vieler Autorinnen und Autoren und Künstlerinnen und Künstler an. Aber in der Bibel steht davon nichts.

Auch ein 1945 in Nag Hammadi entdeckter koptischer Text aus dem vierten oder fünften Jahrhundert, „Philippusevangelium“ genannt, sorgte kurz für Aufregung. In ihm wird über Jesus und Maria Magdalena gesagt: „Er küsste sie auf den Mund.“ (Nag Hammadi Codex II, p. 63,35f.) Allerdings ist dieser Text sehr schadhaft und ausgerechnet das Wort „Mund“ nur eine Vermutung des Übersetzers. Ein erotisches Aufladen dieser Notiz verbietet sich auch deshalb, weil in den sexfeindlichen Sondergruppen der Gnosis, aus denen dieser Text stammt, „Kuss“ als Symbol für die Weitergabe esoterischen Wissens steht.

Sexfeindliches hören wir in den vier alten Evangelien aus dem Mund Jesu nie. Es gibt drei Erzählungen, in denen Jesus sich von einer Frau nicht nur berühren, sondern mit kostbarem Öl an Haupt bzw. Füßen salben und sich sogar die Füße küssen lässt (vgl. Mk 14,3–9; Lk 7,36–50; Joh 12,1–8). Dass eine „Sünderin“ – so erzählt Lukas – Jesu Füße dann auch noch mit ihrem offenen Haar abtrocknet, gilt als anrüchig und unsittlich und empört den frommen Gastgeber, bei dem Jesus zu Tische liegt. Jesus aber verteidigt das Tun der Frau, indem er es als dankbare Liebe würdigt, und bezeugt auch hier, dass er Frauen gegenüber keine Berührungsängste hat.

Von einem Sex-, Liebes- oder Eheleben Jesu ist allerdings in den alten Quellen nirgends die Rede. Dabei hätte sich damals niemand daran gestoßen, hätte auch Jesus eine Frau gehabt wie sein Freund Simon Petrus. Aber Jesu große Liebe gehörte offenbar nicht einem einzelnen geliebten Menschen, sondern seiner ganzen Gefolgschaft (später „Kirche“ genannt). Darauf weist der urchristliche Grundsatz hin: „Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat.“ (Eph 5,25) Hätte Jesus eine Frau gehabt, würde es wohl unbefangen heißen: „Männer, liebt eure Frauen, wie Jesus seine Frau geliebt hat.“

Karl Veitschegger

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SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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