APROPOS Jesus | 60 Fragen - 60 Antworten
19. Wer waren die Gegner und Feinde Jesu?

„Doch ihr sollt eure Feinde lieben und Gutes tun …“ (Lk 6,35)

Aber welche Feinde sind hier gemeint? – In der Bergpredigt bringt Jesus den Begriff „Feind“ mit Verfolgung, Diebstahl, Zwang, Hass und Gewalt in Verbindung. Kein Wunder, hat doch die jüdische Bevölkerung vieles davon am eigenen Leib erfahren. Wie sehr litt sie unter dem römischen Machtsystem in Form von Steuern, Zöllen, Pachten, Abgaben, Baumaßnahmen etc.! So wird Jesus weniger persönliche Feinde gemeint, sondern eher die Obrigkeiten mit ihren Oberschichtsinteressen im Blick gehabt haben.

Was ihn persönlich betrifft, sind es weder der einfache Zöllner noch der 0815-Sünder, die ihm feindlich gesinnt sind. Nein, nach biblischem Befund (vgl. Mt 11,19 par.) wird er sogar als deren „Freund“ getadelt.
In der Apostelgeschichte und den Paulusbriefen erfahren wir Näheres über die eigentliche Gegnerschaft Jesu: Mehrmals werden die Jesusjünger und -jüngerinnen Opfer pharisäisch-religiösen Eifers bzw. körperlicher Züchtigung und Strafe durch den Hohen Rat (oberstes Gremium der Jerusalemer Kultgemeinde) oder auch des jüdischen Königs Herodes Agrippa. Erschwerend ist für die junge Jesus-Gemeinschaft ihre noch ungeklärte gesellschaftliche Stellung: wer sie sind, wovon sie sich abgrenzen, wohin sie wollen – vieles ist erst im Entstehen.

Aber zurück zu Jesus: Wer waren nun seine Feinde, wer stand in Opposition zu ihm persönlich?

Im Markusevangelium sind es zuerst Pharisäer und „Anhänger des Herodes“ (vgl. Mk 3,6), die Jesus auf Grund von Sabbat-Konflikten nach dem Leben trachten. (Um wen es sich bei diesen ominösen Herodianern handelt, bleibt im Dunkeln.) Hinzu kommen Schriftgelehrte unterschiedlicher Ausrichtung. Das Lukasevangelium nennt auch noch Jesu misstrauischen Landesherrn Herodes Antipas. Die letzten entscheidenden Gegner sind dann freilich der römische Präfekt Pontius Pilatus und „die Hohepriester“ und Ältesten, also der Hohe Rat in Jerusalem. (Da es immer nur einen Hohepriester gab – von 18 bis 36/37 n. Chr. war das Kajaphas –, ist mit der Mehrzahl die gesamte hohepriesterliche Familie gemeint.)

Ja, man beäugte Jesus zeitlebens kritisch, beobachtete ihn misstrauisch. Sein Verhältnis zu den in vielem volksnahen und bemühten Pharisäern war ambivalent, aber keinesfalls nur feindlich. Sonst hätte ihn nicht „einer der Pharisäer […] zum Essen eingeladen“ (Lk 7,36). Grundsätzlich boten sie ja eine alltagstaugliche Auslegung der Tora, die in manchem der Interpretation Jesu durchaus nahestand. Jahre später verteidigen sie Paulus: „Wir finden nichts Schlimmes an diesem Menschen.“ (Apg 23,9)

In Jerusalem waren es die Sadduzäer, die Tempel-Aristokraten, die jeglichen religiösen und politischen Aufruhr zu vereiteln trachteten und mit den Römern kooperierten. Sie haben wohl auch rund um Jesu Verhaftung und Auslieferung an Pilatus die entscheidende Rolle gespielt. Ob sie aber schon vorher mit Pharisäern eigens in Jesu Heimat Galiläa reisten, „um ihn zu versuchen“ (also auf das politische Glatteis zu führen), wie Matthäus annimmt (16,1), ist stark zu bezweifeln.

„Liebt eure Feinde!“ – Dass Feindesliebe für Jesus keine Heuchelei und Plattitüde ist, beweist er selbst am Kreuz: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lk 23,34)
Übrigens: Wo sind Jesu Gegnerinnen oder Feindinnen? – In den Evangelien finden wir keine. Im Gegenteil, Frauen waren bis zuletzt auf seiner Seite und an seiner Seite. Sogar die Frau des Pilatus bemühte sich laut Matthäus (27,19) um seine Freilassung.

Irene Maria Unger

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Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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