Fußball-EM
Es geht ums Spiel
Zum Start der Fußball-EM äußerte sich der Ethiker Thomas Gremsl.
Die Erwartungshaltung für die Fußballeuropameisterschaft ist aus heimischer Sicht noch größer als 2016, als Österreich die Qualifikation mit Bravour meisterte. Das erklärte Thomas Gremsl, Professor für Sozialethik an der Universität Graz, im Kathpress-Interview.
Zur von vielen als schwierig eingestuften Vorrundengruppe meinte der ausgewiesene Fußball-Experte, es sei auf dem grünen Rasen immer wieder erlebbar, „dass man angesichts starker Gegner auch selbst eine stärkere Performance an den Tag legt“. Der Mannschaft von Ralf Rangnick traut Gremsl – er ist auch Mitglied der Kommission für Schiedsrichterwesen und im Vorstand des Steirischen Fußballverbandes – daher den Einzug ins Achtel- und womöglich auch ins Viertelfinale zu. Als Favoriten auf den Turniersieg nannte er Frankreich, Kroatien und auch Deutschland: „Man darf den Heimvorteil und letztlich die Dynamik des Turniers nicht unterschätzen.“
Laut dem Grazer Theologen lebt der Fußball sehr stark von Emotionen, Spannung und dem ungewissen Ausgang eines Spiels: „Zu leben bedeutet, sowohl mit Siegen als auch mit Niederlagen umgehen zu lernen – auch das könnten wir im Fußball lernen.“ Den Fußball sieht er als einen „Schmelztiegel der Gesellschaft“. Wo sonst würden heute noch – außer etwa beim gemeinsamen Gottesdienst – so viele Menschen aus unterschiedlichen sozialen Bereichen aufeinandertreffen, Seite an Seite stehen und gemeinsam feiern? Freilich sei der Fußball auch Anlass für kollektives Dampf-Ablassen und Verbalinjurien. „Deswegen ist es so wichtig, dass FußballerInnen, FunktionärInnen vorbildhaft voranschreiten.“ Ihm persönlich sei verbale Gewalt – besonders im Kinder- und Jugendfußball – „ein Dorn im Auge“. Vorgaben von oben bräuchten auch ein entsprechendes Bewusstsein von unten.
Die Kommerzialisierung des Fußballs sieht Gremsl differenziert: Um Spitzenfußball zu fördern, „bedarf es umfassender finanzieller Mittel und das darf per se nicht negativ gedeutet werden“. Die Kräfteverschiebung in Richtung finanzstarker Clubs und Ligen habe auch zur Popularität des Fußballs beigetragen. Andererseits wollte der Experte festhalten: „Insgesamt fließt sicherlich zu viel Geld im Fußball, sowohl im Profi- als auch im Amateurbereich.“ Da sei eine „kritisch-konstruktive Debatte auf allen Ebenen“ nötig. Letztlich gehe es um das Spiel und nicht um das Geld.
Als Schiedsrichter-Vertreter ist Gremsl mit immer mehr technologischen Innovationen wie dem VAR (Video Assistant Referee) konfrontiert. „Ganz zentral ist für mich die Frage, wie sich solche Technologien auf den Fluss des Spiels und damit auf die Spieler, auf das Fußballerlebnis und damit besonders auf die Fans auswirken“, sagte der Theologe.
Kathpress
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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