Positionen - Leopold Neuhold
Was ist lebensdienlich?

„Musst Du schon wieder Bier trinken?“, fragt die besorgte Ehefrau. Die Antwort des Mannes: „Nein, ich mach es freiwillig!“ – Was manchmal wie eine freie Entscheidung ausschaut, ist oft nur ein Reflex auf ein Bedürfnis, etwas, was automatisch abläuft und von Selbstverständlichkeit geprägt ist. Diese Selbstverständlichkeit kann dann auch zu einem Zwang – wenn auch manchmal unbewusst – werden, ein Zeichen dafür, dass der Griff nach der Flasche dann nicht mehr ganz freiwillig ist.

„Fasten macht bewusster. Es unterbricht unsere Verhaltensmuster.“ So formuliert es die Schweizer Ärztin Francoise Wilhelmi de Toledo. Angesichts unserer eingespielten Routinen, die für uns und unsere Mitwelt oft nicht gut sind, bedarf es des Bewusstwerdens dieser Verhaltensmuster. Fasten kann dabei eine Unterbrechung zum Bewusstwerden bedeuten. Dies ist wichtig, um zu erkennen, was lebensdienlich ist und was nicht, und unser Handeln darauf abzustimmen. Weitermachen wie gewohnt führt oft nicht zum Ziel.

„Ich wollte dieses Jahr 10 kg abnehmen, jetzt fehlen nur noch 13 kg.“ So spottet einer über seinen Vorsatz. Etwas als richtig zu erkennen bedeutet aber nicht schon, dass wir das Erkannte auch tun. Deswegen bedarf es der Einübung in der Fastenzeit. Es braucht den Wüstengang zur Erkenntnis und zum Tun oder zum Verzicht. Sich in diesen einzuüben bedeutet ja nicht immer ein Honiglecken, es kann aber frei machen zur bewussten Handlung. Mehr noch – Martin Heidegger hat einmal geschrieben: „Verzicht nimmt nicht. Verzicht gibt. Er gibt die unerschöpfliche Kraft des Einfachen.“

Leopold Neuhold

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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