Mutworte - Christa Carina Kokol
Morgendliches Spiegelbild

Foto: Neuhold

Da wacht man des Morgens gut gelaunt auf, fühlt sich mit sich und der Welt zufrieden und freut sich auf einen neuen Tag. Bis, ja bis der Blick in den Spiegel die Freude etwas trübt. Kaum die Straße überquert, ruft die Frau von gegenüber: „Ich hab Sie gar nicht erkannt, naja, wir werden auch nicht jünger.“ So, nun ist der Tag endgültig im „Eimer“.

Doch nein, was ich sehe und höre, ist vergänglich, was ich in der Tiefe meines Seins fühle, unvergänglich. Gute Gefühle, so der Neurobiologe Dr. Marcus Täuber, erhöhen nicht nur die Lebenserwartung, sondern auch die Lebensqualität. Und das Gefühl der fast schon verstaubt klingenden Ehrfurcht, ist nach neuester Gehirnforschung sogar gesundheitsfördernd: Ehrfurcht vor der Natur, den Menschen, mir selbst; Ehrfurcht vor etwas Höherem, das außerhalb meines Begreifens liegt und nach Viktor Frankl dem menschlichen Willen nach einem unbedingten Sinn entspringt.

Noch etwas sagt die Wissenschaft: Wenn wir auf etwas Höheres zugeordnet sind, tritt unser Ego in den Hintergrund. Und das ist gut so. Denn undifferenzierte Selbstliebe kann Ängste und depressive Stimmungen steigern und zum verzweifelten Grübeln um das eigene Ich führen. Mit guten Gedanken und Gefühlen für uns und unsere Mitwelt verändern wir das Leben zum Besseren, auch unser eigenes. Und das ist laut Hirnphysiologie keine Utopie. Ein chinesisches Sprichwort lautet: „Was der Mensch häufig denkt und fühlt, dahin neigt sich sein Herz.“ Und sein morgendliches Spiegelbild.

Christa Carina Kokol ist dipl. psychotherapeutische Beraterin in Logotherapie und Existenzanalyse nach Viktor E. Frankl.

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SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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