Mutworte - Bischof Erwin Kräutler
Meine Auszeit

Foto: KNA

Ich höre Musik immer ganz bewusst. Ich kann nicht „nebenbei“ Musik hören. Es gibt für mich keine Hintergrundmusik, so etwas wie eine Berieselung des Gemüts während der Arbeit. Musik ist Melodie aus der Ewigkeit. Klingende Funken springen zu uns Menschen herüber, in unsere zeitliche und räumliche Begrenztheit. Tief ins Herz dringt sie ein, bis in die Mitte der Person. Musik lässt den Himmel erahnen, ist wie ein Gottesbeweis, kein philosophischer, sondern ein mystischer, eine existenzielle Gotteserfahrung.

Ich kann mir zum Musikhören keine bestimmte Zeit reservieren. Aber es gibt Momente, wo ich mir sage: Ich muss jetzt einfach die Matthäus-Passion von J. S. Bach hören. Oder die Passage im Schlusschor von Beethovens Neunter Symphonie (…) mit dem fantastischen Terzsprung und einer lang anhaltenden Fermate beim Namen „Gott“, die den Eindruck erweckt, als ob sich plötzlich das Tor zum Himmel auftue (…).

Die Gelegenheit, eine große Symphonie im Konzertsaal oder eine Oper auf der Bühne zu hören und zu sehen, habe ich kaum. In Altamira ist es nicht möglich, und in Österreich bin ich zeitlich immer sehr eingeteilt. Ich bin auf DVDs oder das Internet angewiesen. Das ist meine Auszeit.

Bischof Erwin Kräutler Langjähriger Missionar und Bischof in Brasilien. Aus: Mein Leben für Amazonien, Tyrolia, 2014.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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