Dreikönigsaktion
Wege aus der Sklaverei

Schwester Anthonia (Bild links, Mitte) und Babita (l.) waren bei Bischof Wilhelm Krautwaschl zu Gast, um von ihrer Arbeit, die die Dreikönigsaktion unterstützt, zu erzählen. | Foto:  Neuhold
5Bilder
  • Schwester Anthonia (Bild links, Mitte) und Babita (l.) waren bei Bischof Wilhelm Krautwaschl zu Gast, um von ihrer Arbeit, die die Dreikönigsaktion unterstützt, zu erzählen.
  • Foto: Neuhold
  • hochgeladen von SONNTAGSBLATT Redaktion

Die Dreikönigsaktion unterstützt Projekte gegen Menschenhandel und Ausbeutung von Kindern und Frauen in Nepal.

Dreißig Millionen Menschen, mehr als 100 Volksgruppen und Sprachen, und acht der weltweit 14 Achttausender innerhalb es Staatsgebietes: Nicht nur für Alpinbegeisterte ist Nepal ein Land der Superlative. Traurige Rekorde hingegen verzeichnet der zwischen China und Indien gelegene Staat im Bereich des Menschenhandels. Zwischen 10.000 und 15.000 Frauen und Mädchen verschwinden in Nepal jährlich und enden als Arbeitssklavinnen im In- und Ausland.

Gefährliche Verlockungen
Als Minderjährige verheiratet, als Jugendliche zur Prostitution gezwungen, als Hausangestellte fernab der Landesgrenzen ausgebeutet: Die Liste der Tätigkeiten, bei denen nepalesische Frauen und Mädchen ausgenutzt werden, ist lang. Besonders groß ist die Gefahr bei materieller Armut – oder dann, wenn Mädchen schon in der Herkunftsfamilie schlechter behandelt werden als ihre männlichen Geschwister. „Mein Vater hat sich immer einen Sohn gewünscht“, erzählt Babita Gurung, die gegen den Willen ihrer Familie eine höhere Schule besuchte. Weil die Eltern nicht in die Bildung eines Mädchens investieren wollten, arbeitete sie auf eigene Faust, um das Schulgeld bezahlen zu können. Am Wochenende stellte sie auf einer Baustelle Ziegel her und verkaufte zusätzlich noch Medizin aus Heilkräutern. Als ihr Vater krank wird, verlässt Babita als 18-Jährige im Abschlussjahr die Schule, um ihn zu pflegen und ernährt mit ihrem Einkommen die gesamte Familie.

Sexarbeit und Ritualmorde
Lebensverläufe wie diese gibt es in Nepal hunderttausendfach, und unzählige Frauen haben es noch schwerer als Babita. Etwa dann, wenn sie als 14-Jährige von ihren Eltern aus Versorgungsgründen verheiratet oder nichtsahnend den Menschenhändlern anvertraut werden. Diese kommen in die Dörfer und erzählen von lukrativer Arbeit im Ausland, die den Familien daheim das Überleben sichern soll.

Arbeit in indischen Privathaushalten, in Bars oder in so genannten „Massage“-Salons: Ein versprochener Traumjob, der sich zum Albtraum entwickelt, steht für zehntausende Frauen und Mädchen aus Nepal oft am Anfang eines langen Leidensweges. Sind sie erst den Familien entlockt, wird den Betroffenen der Reisepass und ihr Erspartes abgenommen, damit sie gezwungen sind, in den Tanzbars und Bordellen zu bleiben. „Manchmal werden die Mädchen und Frauen von Menschenhändlern auch zu rituellen Zwecken gekauft und anschließend getötet“, weiß Schwester Anthonia Soosai, Direktorin der Hilfsorganisation Opportunity Village Nepal (OVN), was auf Deutsch so viel bedeutet wie „Dorf der Chancen“.

Die Ordensfrau erzählt Geschichten wie die einer erst 16-jährigen Dorfbewohnerin, die als „Jungfrau“ an eine religiöse Sekte verkauft hätte werden sollen, wo man sie vergewaltigen und danach rituell opfern wollte. In einem unbeobachteten Moment konnte die junge Frau, die in einer landesweiten Kampagne von OVN erfahren hatte, auf die Straße flüchten und mit dem Mobiltelefon eines Passanten die Hilfsorganisation verständigen. Die wiederum setzte die Rettungskette in Gang und konnte so das Mädchen befreien.

Bekämpfung im Netzwerk
„Ein wichtiger Teil unserer Arbeit besteht darin, Behörden zu informieren, damit die Menschenhändler strafrechtlich verfolgt werden“, erzählt Schwester Anthonia, die selbst aus Indien stammt, Soziologie studiert hat und seit 2017 Ordensfrau bei den Good Shepherd Sisters ist (siehe Spalte S. 8). Immer wieder käme es vor, dass ehemalige Klientinnen nach ihrer (Selbst-)Befreiung aus der Zwangsarbeit bei OVN bleiben und dort sozialarbeiterisch tätig würden, erzählt Anthonia und blickt dabei zu Babita. „Ihre schöne Handschrift ist mir gleich aufgefallen“, lacht sie und erzählt davon, wie sie ihre Mitarbeiterin kennengelernt hat. „Ich bin froh, dass Babita heute für OVN arbeitet – sie kann gut mit allen, die zu uns kommen“, sagt Anthonia und meint, dass das vermutlich deshalb so sei, weil Babita die materielle Not, die Chancenungleichheit und das schwere Leben in ihrem kleinen Heimatdorf am eigenen Leib verspürt hätte.

Von einem Glücksmoment, der sich erst kürzlich zugetragen hat, erzählt Babita in ihren Workshops ganz besonders gern: die Versöhnung mit dem Vater, der sich statt ihr lange Zeit einen Buben gewünscht hatte.
Doch mittlerweile ist er stolz auf seine Tochter, die den Schulabschluss geschafft und nun ein Unistudium angefangen hat. So viel Fleiß und Durchhaltevermögen hätte er wohl keinem seiner Kinder zugetraut – auch nicht einem Sohn.

Anna Maria Steiner

Die Sternsinger kommen
Bei der Sternsingeraktion werden auch heuer österreichweit zehntausende Kinder und Begleitpersonen unterwegs sein – mit dem Ziel, Armut und Benachteiligung zu bekämpfen und den Segen von Haus zu Haus zu tragen. Übrigens: Sternsinger-Gruppen führen einen Ausweis mit sich, der erkennen lässt, dass sie im Auftrag der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar Spenden sammeln. Falls Sie keinen Sternsinger-Besuch bekommen, hier die Spenden-Infos:
Dreikönigsaktion/KJS Diözese Graz-Seckau: AT56 3800 0000 0030 4501
Spenden DKA

O-Ton

Am Ort des Geschehens

Schwester Anthonia, in Nepal verschwinden jährlich zwischen 10.000 und 15.000 Frauen und Mädchen – viele von ihnen landen in Bordellen. Warum herrscht der Menschenhandel hier so stark vor?
Schwester Anthonia: Wegen der Armut, die sich durch das große Erdbeben von 2015 noch verstärkte. Damals starben fast 9.000 Menschen, und Millionen wurden obdachlos. In den Städten wuchs der so genannte „Unterhaltungssektor“: Tausende Mädchen wurden aus ihren Dörfern gelockt und müssen seitdem in Hotelbars oder Massage-Salons arbeiten. Andere wurden nach Indien oder China gebracht, wo sie ohne Arbeitsvertrag in den Haushalten der Reichen schuften oder zu Sexarbeit gezwungen werden.

Was tut Ihre Organisation gegen diese moderne Form der Sklaverei?
Sr.: Unsere Arbeit beginnt schon in den Dörfern, wo wir Eltern über die Praktiken der Menschenhändler aufklären, die den Armen Arbeit und Wohlstand versprechen. Wir organisieren landesweite Info-Kampagnen und versuchen Regierungen davon zu überzeugen, gegen Menschenhandel vorzugehen. Und schließlich spüren wir Mädchen und junge Frauen direkt auf und helfen ihnen beim Ausstieg. Dazu gehen wir an die Orte des Geschehens – in Hotels, in Umkleidekabinen von Tanzbars.

Ist Ihre Arbeit gefährlich?
Sr.: Schon, aber wie der Name meiner Ordensgemeinschaft (Schwestern vom Guten Hirten) verrät, verstehen wir uns als gute Hirtinnen und gehen jedem Schaf, das verloren scheint, nach, bis wir es finden.

Was braucht es zum Ausstieg?
Sr.: Entscheidend ist, dass die Mädchen und Frauen wieder eine Perspektive entwickeln. In Trainings stärken wir ihr Selbstbewusstsein und arbeiten gemeinsam am Erreichen eines Schul- oder Berufsabschlusses. Das Wichtigste aber ist, dass sie, die unverschuldet ausgebeutet wurden, lernen, sich selbst zu vergeben und sich wieder selbst lieben.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ