Mach kein finsteres Gesicht!

- Einen lustvollen, positiven und solidarischen Zugang zum Fasten vermitteln Aktionen wie Autofasten, Gerecht leben – Fleisch fasten oder Aktion Familienfasttag.
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Viel mehr als nur Verzicht und Buße kann Fasten beinhalten, nämlich einen Zugewinn an Freiheit und Lebendigkeit.
Das Fasten liegt voll im Trend. Lifestyle-Magazine locken im Frühjahr mit Fastenkuren, Entschlackungs-diäten und Programmen des Heilfastens. Sie verheißen nicht nur den Abbau des Winterspecks und die perfekte Bikini-Figur, sondern auch gesteigertes Wohlbefinden, erhöhte Leistungsfähigkeit, mehr Abwehrkräfte gegen Krankheiten und besseren Einklang von Körper, Geist und Seele. Oft stehen die Angebote unter dem Diktat der Selbstoptimierung, dem ersten Gebot unserer Zeit. Aber auch soziale und spirituelle Aspekte werden dabei thematisiert.
Im Christentum hat – wie in allen Religionen – das Fasten eine lange Tradition. Die vorösterliche Fastenzeit, die ja genau in die Frühjahrszeit hineinfällt, ist ein fester Bestandteil des kirchlichen Jahreskreises. Leider hat die Kirche lange Zeit hindurch in ihrer Praxis und in der religiösen Unterweisung der Gläubigen die Bedeutung des Fastens auf das Befolgen eines Gebotes reduziert und ihm dadurch einen sehr negativen Beigeschmack verpasst.
So „darf“ man etwa an strengen Fasttagen kein Fleisch essen oder sich nur einmal sättigen. Man fastet nicht, um sich etwas Gutes zu tun, sondern weil das Missachten des Gebotes eine Sünde wäre. Und man ist sehr einfallsreich im Finden von Gründen, warum jemand vom Fastengebot ausgenommen ist, weil er oder sie noch zu jung, schon zu alt, zu wenig gesund, gerade auf Reisen ist oder schwere körperliche Arbeiten verrichtet.
Wenn in der Kirche vom Fasten die Rede ist, dann schwingen meist Motive wie Verzicht, Selbstbeherrschung, Bußübung und Kasteiung mit. Das Fasten wird dabei nicht als ein in sich selbst wertvolles Tun betrachtet, sondern als Mittel, um Gott angesichts der eigenen Schuldhaftigkeit gnädig zu stimmen, um sich zu bestrafen und Abbitte zu leisten. Nicht selten gesellt sich dazu ein Gefühl der Verbitterung, Missgunst, Empörung oder Verachtung gegenüber jenen, die das Gebot nicht einhalten.
Nicht Gebote erfüllen, sondern Gutes tun
Mit einer solchen Reduzierung von Religion auf das Einhalten von Geboten und Vorschriften konnte Jesus wenig anfangen. Immer wieder hat er diese Haltung, die er auch in seinem jüdischen Umfeld angetroffen hat, hinterfragt und kritisiert. Nicht das äußerliche Handeln ist für ihn entscheidend, sondern die Haltung des Herzens.
Als Jesus mit der Frage konfrontiert wird, warum seine Jünger nicht fasten (Mt 9,14–17), antwortet er sinngemäß, dass es auf die konkrete Lebenssituation des einzelnen ankäme, wann es angebracht sei zu fasten und wann zu feiern, nicht auf allgemeine Gebote. Und wenn es für mich stimmig ist, dann soll es nicht mit einem demonstrativen Habitus zur Schau gestellt und hinausposaunt werden, sondern unauffällig und mit heiterem Herzen vollzogen werden, um mir selbst etwas Gutes zu tun und meine Beziehungsfähigkeit zu anderen Menschen und zu Gott zu verbessern.
In der Bergpredigt sagt Jesus: „Wenn ihr fastet, macht kein finsteres Gesicht wie die Heuchler! Sie geben sich ein trübseliges Aussehen, damit die Leute merken, dass sie fasten. … Du aber, wenn du fastest, salbe dein Haupt und wasche dein Gesicht“ (Mt 6,16–17). Das Fasten soll nicht als Einschränkung und freudlose Angelegenheit erlebt werden, sondern vielmehr als Zugewinn an Freiheit, Freude und Lebendigkeit.
Durch den Propheten Jesaja richtet uns Gott aus, dass ein Fasten in seinem Sinne bedeutet, „die Fesseln des Unrechts zu lösen“ (Jes 58,6). Es ist ein Handeln, das die Achtsamkeit erhöht und zu mehr Gerechtigkeit führt.
Weglassen ist befreiend
Das zeitweilige Verzichten auf bestimmte Dinge – auf den Verzehr von Fleisch, auf Alkoholkonsum, auf das Rauchen, auf das Smartphone, auf so manche Autofahrt aus Bequemlichkeit, auf das Lust- oder Frust-Shoppen – kann mir aufzeigen, wovon ich abhängig bin, mich beherrschen lasse oder gedankenlos Gebrauch mache. Es kann zum Überdenken mancher Lebensgewohnheiten, zum besseren, ehrlicheren Wahrnehmen seiner selbst und zu einer heilsamen Veränderung führen. Es kann bewusst machen, welche meiner Handlungen oder Verhaltensweisen mir selbst, anderen Menschen, der Schöpfung oder auch meiner Gottesbeziehung Schaden zufügen.
So kann das Fasten als etwas Befreiendes erlebt werden, das meine Autonomie und Selbstbestimmtheit erweitert und mir hilft, mein Leben bewusster und aktiver zu gestalten. In unserer Überflussgesellschaft führt das Weglassen und Abwerfen von Ballast eher zu einem Gewinn an Vitalität und Lebensqualität.
Alfred Jokesch
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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