Papstbesuch in Kanada
Schulen des Genozids

Begegnung mit Indigenen.  | Foto: KNA
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In Kanada kam die Botschaft der Beschämung und Reue durch Papst Franziskus an. Konkrete Schritte der Aufarbeitung werden aber noch erwartet.

Die Papstreise nach Kanada endete bemerkenswert: Papst Franziskus nannte das erlittene Unrecht der Indigenen einen „Völkermord“. Das Wort „Genozid“ sprach er allerdings erst aus, als er Kanada verlassen hatte, auf einer Pressekonferenz im Flugzeug. Viele Indigene hätten sich diesen Begriff bei den Reden des Papstes vor Ort gewünscht. Ebenso eine Schuldzuweisung auf die Institution römisch-katholische Kirche und nicht nur auf viele ihrer Mitglieder. Oder eine Revidierung päpstlicher Dokumente des 15. Jahrhunderts zur „Entdeckungsdoktrin“, die Kolonialherrscher als Vorwand für die Entrechtung indigener Völker benutzt hatten. Oder die Öffnung der Archive, um mehr über die Residential Schools herauszufinden. Dass seine „Bußreise“ ein Anfang sei, dem noch weitere Taten folgen müssten, hatte Franziskus selbst betont.

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Diesen unwirtlichen Ort besuchte Papst Franziskus bei der letzten Etappe seiner Kanada-Reise. In Iqaluit, der Hauptstadt des Territoriums Nunavut, traf er erneut mit Inuit zusammen, die seit 5000 Jahren diese Gegend bewohnen. Auch ihre Kinder waren gezwungen worden, jene Residential Schools zu besuchen, in denen sie ihrer Kultur beraubt, misshandelt und missbraucht wurden. Rund 150.000 hatten solche oft katholisch geführte Schulen besucht; unter den desolaten Bedingungen dort starben wohl 4000 bis 6000 Kinder. Die demütige Vergebungsbitte des Papstes wurde in Inuktitut übersetzt, jene Sprache der Einheimischen, die ihnen in diesen Schulen und Internaten unter Strafe verboten war.
Auf seinen Stationen der Kanada-Reise ermutigte der Papst immer wieder die Jugend zu einem sinnstiftenden Leben. Depressionen und Drogenabhängigkeit sind unter den Traumatisierten nicht selten.

In die Seele gekommen. Wie sehr ihm persönlich das Thema am Herzen liegt, hat Papst Franziskus auf der Reise gezeigt; dies wurde auch dankbar angenommen. Er habe in diesen Tagen sehr viel erfahren und gelernt, resümierte der Papst auch bei seiner Station in Quebec. Die Lebenswelt der Indigenen Kanadas sei in seine Seele gekommen. Für das begangene Unrecht „bringe ich Beschämung und Schmerz zum Ausdruck und wiederhole gemeinsam mit den Bischöfen dieses Landes meine Bitte um Vergebung für das von vielen Christen an den indigenen Völkern begangene Übel“, sagte er in einer Ansprache vor Indigenenvertetern, Politikern und Diplomaten. In Quebec warnte er auch vor neuer „ideologischer Kolonialisierung“.
Im Stadion von Edmonton feierte Papst Franziskus mit 50.000 Gläubigen eine Messe.Von Kniebeschwerden geplagt, saß Franziskus bei dieser Reise oft im Rollstuhl. Er rief dazu auf, Erbe und Vermächtnis der Vorfahren zu schätzen und Handwerker einer besseren Zukunft zu werden. „Lernen wir dies als Einzelne und als Kirche: Unterdrücken wir niemals das Gewissen der anderen, fesseln wir niemals die Freiheit unseres Gegenübers, und lassen wir es vor allem niemals an Liebe und Respekt für die Menschen fehlen, die uns vorausgegangen und uns anvertraut sind.“

KATHPRESS / Herbert Meßner

Rücktritt: möglich, nicht jetzt
Derzeit trage er sich nicht mit dem Gedanken an einen Rücktritt, grundsätzlich sei ein solcher aber möglich, erklärte Papst Franziskus auf der Rückreise von Kanada. „Man kann den Papst wechseln, das ist kein Problem.“

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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