Bischöfe
Schützen. Heilen. Versöhnen.
Erklärung der katholischen Bischöfe zur Debatte um eine temporäre Impfpflicht.
Die Corona-Pandemie, die unser Leben seit bald zwei Jahren bestimmt, stellt uns unverändert vor große Herausforderungen. Mittlerweile sind weltweit verschiedene Impfstoffe im Einsatz, die nachweislich Schutz vor schweren Krankheitsverläufen bewirken. Dennoch haben nicht wenige Menschen in unserem Land dieses Impfangebot bisher nicht angenommen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Nun beabsichtigt der Staat, eine gesetzliche Verpflichtung zur Impfung gegen das Coronavirus einzuführen. Wir möchten als Bischöfe etwas zur Klärung der damit zusammenhängenden Fragen beitragen.
Schützen. Ein breiter wissenschaftlicher Konsens bewertet die Schutzimpfung gegen Covid-19 als einen unerlässlichen Beitrag, um Menschen vor schwerer, ja lebensbedrohlicher Erkrankung zu schützen. Wer sich impfen lässt, schützt damit auch die öffentlichen Gesundheitssysteme vor Überlastung und all jene, die nicht wegen Corona, sondern aus anderen Gründen eine intensivmedizinische Behandlung benötigen. Täglich wird berichtet, dass die Ressourcen in den Krankenanstalten ausgeschöpft sind und selbst höchst dringliche Operationen verschoben werden müssen. Aus diesem Grund bitten wir Bischöfe erneut eindringlich, sich impfen zu lassen. Wir erinnern an die Worte von Papst Franziskus: „Impfen ist ein Akt der Nächstenliebe.“ Da jedoch die bisherigen Aufrufe nicht ausgereicht haben, plant nun die Regierung eine temporäre gesetzliche Verpflichtung zur Impfung.
Eine Impfpflicht ist ein schwerwiegender Eingriff in die körperliche Integrität und Freiheit des einzelnen Menschen. Sie ist daher nur dann zulässig, wenn unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, um die Bevölkerung – im Fall der Pandemie das Gesundheitssystem und damit Menschenleben – zu schützen. Es liegt letztlich in der Verantwortung der Regierenden, zu beurteilen, ob die Voraussetzungen dafür vorliegen und eine temporäre Impfpflicht das jetzt angemessene Mittel zum Schutz des Gemeinwohls ist. Zur konkreten Ausgestaltung des Gesetzes können wir kein detailliertes Votum abgeben und werden uns daher am Begutachtungsverfahren nicht beteiligen. Wir weisen aber darauf hin, dass es dringend geboten ist, situations- oder gesundheitsbedingte Ausnahmen vorzusehen und auch die rechtlichen Konsequenzen in einem angemessenen Rahmen zu halten. Das Ziel muss sein, Gesundheit und Freiheit gleichermaßen zu schützen.
Heilen. Einhergehend mit der Debatte um die Angemessenheit von Maßnahmen zur Covid-Bekämpfung nehmen wir eine gefährliche Polarisierung in der Gesellschaft wahr. Sie zeigt sich in der überhitzten und respektlosen Art, mit unbedachten Vorwürfen, Unterstellungen und einer gewalttätigen Sprache aufeinander loszugehen. Leider wurde bereits ein bedrohliches Maß an Diskursunfähigkeit erreicht. Neben angemessenen Formen der Protestbekundung werden immer öfter die staatlichen Maßnahmen zur Pandemieeindämmung mit dem nationalsozialistischen Unrechtsregime in Beziehung gebracht. Solche beschämenden Verharmlosungen der NS-Verbrechen dürfen nicht geduldet werden. Es stößt auch auf unser absolutes Unverständnis, wenn Menschen, die in der medizinischen Versorgung und Pflege um das Leben von Menschen kämpfen, verhöhnt werden. Ebenso entschieden ist die pauschale Verunglimpfung aller, die sich nicht impfen lassen wollen, abzulehnen.
Wir benötigen dringend eine heilsame Abrüstung der Worte und Gesten. Zu viele Verletzungen und Zerwürfnisse sind ohnehin bereits geschehen, vermutlich mit gefährlichen Langzeitfolgen für unsere familiären und gesellschaftlichen Beziehungen. Wir müssen uns auf allen Ebenen um eine neue Gesprächskultur bemühen. Zuhören ist heilsam! Setzen wir alles daran, diese wichtigste Voraussetzung für jede gelingende Kommunikation immer wieder neu zu lernen. Nur der Respekt vor gegensätzlichen Meinungen und unterschiedlichen Standpunkten kann ein friedliches Zusammenleben sichern. Dazu gehört jedoch auch die grundsätzliche Akzeptanz von gesetzlichen Vorgaben, die im Interesse des Gemeinwohls getroffen werden müssen.
Versöhnen. Der Advent ist die Zeit der Vorbereitung auf das Fest der Geburt Jesu. Viele Menschen sehnen sich in diesen Tagen nach mehr Stille, Entschleunigung und Entlastung. Aus diesem Grund schlagen wir vor, gerade jetzt auf unnötige Empörungen und fruchtlose Debatten soweit wie möglich zu verzichten. Unterlassen wir alles, was jemanden herabsetzen, verletzen und demütigen könnte. Ein kollektives Innehalten dieser Art würde uns allen guttun. Nützen wir die Zeit, um den eigenen Standpunkt zu reflektieren und um nachzudenken – auch über den Beitrag zur Versöhnung, den jeder von uns in seinem Lebensumfeld leisten kann. Nützen wir die Zeit des Advents ebenso für das persönliche und gemeinsame Gebet, in dem wir der heilsamen Gegenwart Gottes Raum geben. Wir Bischöfe laden ganz ausdrücklich dazu ein! Beten braucht nicht viele Worte, sondern nur die Offenheit von Geist und Herz.
Schützen, heilen und versöhnen ist ein adventliches Programm, das eine echte Alternative darstellt. Es weist einen geistvollen Weg zu einem versöhnten Miteinander, das unser Land angesichts der großen Herausforderung unbedingt braucht. „Seid demütig, friedfertig und geduldig, ertragt einander in Liebe und bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch das Band des Friedens“ (Eph 4,2f), ruft uns der Apostel Paulus zu.
Ganz bewusst erbitten wir in dieser herausfordernden Zeit Gottes Segen für alle Menschen!
Die Österreichischen Bischöfe
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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