Interview
Ich sehe, dass die Kirche lebt
Zisterzienserorden. Generalabt Mauro-Giuseppe Lepori, zu Pfingsten Gast in Stift Rein, nimmt zu aktuellen Fragen Stellung.
Mauro-Giuseppe Lepori, geb. 1959 in Lugano/Schweiz. Studium der Theologie und Philosophie in Freiburg/Schweiz. 1984 Eintritt in die Zister-zienserabtei Hauterive. Priesterweihe 1990. Wahl zum Abt von Hauterive 1994. Seit 2010 Generalabt des Zisterzienserordens.
- Hochwürdiger Herr Generalabt, wie haben Sie beim Pfingstfest der Loretto-Bewegung in Rein den geradezu strahlenden Glauben der vielen jungen KatholikInnen erlebt?
Lepori: Ich bin sehr froh, das hier zu erleben, in der ältesten Abtei des Ordens. Für mich es ein Zeichen der Hoffnung, diesen vielen jungen Menschen zu begegnen (Bild oben). Ich sehe, dass die Kirche lebt, auch hier in Rein.
- Der Mangel an Gläubigen und Priestern beunruhigt viele Menschen. Auf welchem Weg ist eigentlich der Zisterzienserorden – führt er bergauf oder bergab?
Wie alle wissen wir nicht, welcher Weg die Kirche zu ihrer Vollendung führt, zur Vollendung in Christus. Ich sage immer, dass die Zukunft der Kirche nicht in irgendeiner Weltregion ist, in Lateinamerika oder Afrika, wie manche meinen. Für mich ist die Zukunft der Kirche Christus, und er ist mit uns, und er geht mit uns. Das ist unsere Sicherheit und unsere Hoffnung. Jesus hat Petrus aufgefordert: Folge mir, und kümmere dich nicht um alles andere! Gerade hier in Rein konnte ich sehen, dass der Heilige Geist am Werk ist.
- Wo ist das Auf und Ab im Orden besonders spürbar?
Wir müssen vor allem in Europa beobachten, dass der Orden wenig oder keinen Nachwuchs hat. Aber es geht nicht nur um einen Niedergang in Zahlen. Auch Jesus ist gestorben, aber er lebt weiter. Jeder Tod bringt auch Frucht, nur wissen wir nicht, wo und wie. So hat der Orden viel Nachwuchs in Vietnam oder in Heiligenkreuz oder bei den Zisterzienserinnen etwa in Frankreich. Man muss wissen, dass rund ein Drittel der Ordensmitglieder Frauen sind. Das ist gut für die Kirche. Beim letzten Generalkapitel hat der Papst mir persönlich gesagt, dass wir weiter auf diesem Weg zusammen mit den Frauen gehen sollen.
- Von den derzeit fast 2200 Zisterziensern sind etwa tausend in Klöstern in Vietnam. Warum eigentlich?
Der Orden kam vor ungefähr hundert Jahren nach Vietnam und ist mit starker Hilfe Europas gewachsen. Viele Ordensbrüder haben hier ihr Noviziat gemacht, auch in meinem Kloster Hauterive in der Schweiz. Für die gute Entwicklung in Vietnam gibt es viele Gründe, darunter auch das Martyrium vieler Mitbrüder, die stark gelitten haben und im Gefängnis waren. Das bringt auch Früchte. Außerdem kann man sagen, dass die ganze Kirche in Vietnam eine Blüte erlebt. Nachdem der Staat, der immer noch kommunistisch ist, seine Kontrollen in den letzten 20 Jahren gelockert hat, gibt es viele Berufungen.
- Wir Europäer können uns ein Christentum in Asien schwer vorstellen. Wie funktioniert der Alltag des Glaubens ganz ohne Gotik und Barock?
Das ist man vielleicht in Österreich so gewöhnt. In Vietnam passen sie den Stil neuer Kirchen gut der traditionellen Architektur an. Sie erinnern ein wenig an Pagoden (turmartiges Bauwerk mit vielen Dachvorsprüngen), aber mit klarer christlicher Symbolik. Mir gefallen diese Kirchen sehr gut.
- Welche Rolle spielen die Zisterzienser in Österreich für den Orden?
Heiligenkreuz hat eine besondere Ausstrahlung, aber insgesamt spürt man, dass es hier eine alte Geschichte gibt und eine lebendige Entwicklung, was Pastoral und Schulen betrifft. Es ist gut, dass es im Orden verschiedene Traditionen und Kulturen gibt und gegenseitiges Verständnis für diese Verschiedenheit. Jeder ist frei, vom anderen das Gute anzunehmen.
- Viele sind besorgt über den Zustand der Kirche, etwa die Spannungen zwischen der Kirche in Deutschland und dem Vatikan. Ist das auch innerhalb der Zisterzienser spürbar?
Wir alle sollen uns in Demut üben. Niemand soll sagen: Meine Kirche, mein Zisterzienserorden, das ist so und nicht anders. Wenn ich das Charisma und den Glauben in der Kirche leben will, muss ich immer bedenken, dass die Kirche katholisch ist. Nicht deutsch oder mit einer anderen Identität. Es ist in Ordnung, wenn ein Kloster oder ein Land einen Schritt weiter geht oder anders geht als andere. Aber man muss auch auf die anderen warten, sonst ist es nicht mehr der gemeinsame Weg. Dann lässt man den anderen zur Seite oder hinter sich. Wenn wir nicht zusammen gehen, gehen wir getrennte Wege. Wenn einer weit voran ist, ist er nicht mehr auf dem gleichen Weg wie die anderen.
Interview: Johannes Kübeck
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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