Naher Osten
Die Stimmung kippt
Naher Osten. Die Gewalt geht weiter. Pilger-Hospiz-Rektor Markus Bugnyar findet deutliche Worte.
Tausende Menschen mussten bereits ihr Leben lassen, wurden grausam ermordet, Opfer von Raketenangriffen oder erlagen ihren schweren Verletzungen, seit die radikal-islamistische Terror-Organisation Hamas am 7. Oktober vom Gaza-Streifen aus Israel angegriffen und auch über hundert Israelis als Geiseln verschleppt hat. Der Staat Israel wehrt sich und schlägt zurück. Der israelische Regierungschef spricht von einem Krieg. Auch eine Bodenoffensive im Norden Gazas ist angekündigt. Den palästinensischen Zivilisten will man Zeit zur Flucht lassen. Aber wohin? Der Gazastreifen ist abgeriegelt. Kein Strom. Wasser, Lebensmittel und Medikamente werden knapp und knapper.
Und die ganze Welt sieht zu. Viele positionieren sich. Der Papst betet für ein Ende der Gewalt. Derweil verlangt Israel vom Vatikan eine eindeutige Verurteilung der Hamas-Massaker. Franziskus forderte bereits die Freilassung der Geiseln und bat um den Schutz der Zivilbevölkerung. Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin betonte das Selbstverteidigungsrecht Israels „im Rahmen der Verhältnismäßigkeit“.
Um Empathie zu zeigen, muss man sich nicht auf eine Seite schlagen, tönt es besonders aus christlichen Mündern. Empathie allein wird den Konflikt nicht lösen und die Gewalt nicht stoppen. Aus dem Österreichischen Pilgerhospiz in Jerusalem erreichen uns Nachrichten. Die MitarbeiterInnen werden fast alle evakuiert (siehe dazu: Offen gesagt). Man habe sich bisher sehr sicher gefühlt, ist der allgemeine Tenor, doch die Lage ist unübersichtlich und die Dauer der gewaltsamen Auseinandersetzungen nicht abzuschätzen.
Der Rektor des österreichischen Pilgerhauses, Markus Bugnyar, bleibt. Und äußert in einem Gastkommentar in der „Presse“ (15.10.) deutlich seine Meinung: „Jeder in Israel weiß: Sobald die ersten Bilder – und die gibt es schon! – über die Zerstörungen in Gaza und tote palästinensische Kinder die Runde machen, kippt die Stimmung“, warnt er vor einem Wandel in der Sicht der Weltöffentlichkeit.
Ein Konflikt mit Geschichte
Der seit fast 20 Jahren in Israel tätige österreichische Priester rechnet mit Israel-kritischen Fragen wie: „Wann ist es genug? Wie viele Menschen müssen sterben, um eintausenddreihundert abgeschlachtete Israelis jeden Alters zu rächen?“ Bugnyars Vermutung: „Die Frage der Verhältnismäßigkeit wird nicht zugunsten Israels ausgehen.“
Die aktuellen Ereignisse bildeten eine Zäsur: „Wir erleben den Anfang vom Ende. Bloß welches Ende?“ Bugnyar erinnerte daran, dass es seit der Gründung des Österreichischen Pilger-Hospizes im Jahr 1863 hier vier verschiedene Staatswesen gab: Das Osmanische Reich wurde erst von den Briten abgelöst, dann folgten die Jordanier und jetzt der Staat Israel.
„Nirgends steht in Stein gemeißelt, dass Israel ewig bestehen wird. Das wissen auch die Israelis“, erklärte der Rektor „die Angst, die hier gerade umgeht“. Seine Befürchtung: „Was auch immer jetzt passieren wird: Es wird den alten Feinden Israels neuen Auftrieb geben …“ Gerade die Bilder der Bodenoffen-sive in Gaza werden dem Antisemitismus weltweit Nahrung geben, prognostizierte er.
Katharina Grager
Friedliche Lösung erhofft
In Tel Aviv entzündeten Protestierende am 14. Oktober bei einer Demonstration gegen die Regierung Kerzen für die Opfer und Vermissten durch den Angriff der radikal-islamistischen Terrororganisation Hamas am 7. Oktober. Über hundert Israelis sollen sich in Geiselhaft der Terroristen befinden. Die Demonstranten plädierten für eine friedliche Lösung zur Befreiung – wie einen Gefangenen-Austausch mit der Hamas. Die Angehörigen von Vermissten seien in Sorge um das Leben ihrer Lieben. Die Situation im Gaza-Streifen zeigt sich unübersichtlich. Es liegen Hinweise vor, dass die Geiseln in ausgeklügelten Tunnelsystemen der Hamas festgehalten werden. Eine Befreiung durch israelische Bodentruppen gilt als extrem riskant für alle Beteiligten. Ein baldiges Ende der Gewalt im Nahen Osten scheint in weitere Ferne zu rücken.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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