Lebendiger Brauch

Gemeinsam wird die festliche geschmückte Pestkerze hinter der Kirche St. Benedikten im Gebiet der Pfarre St. Lorenzen bei Knittelfeld aufgerichtet. Ein lebendiger Brauch, der auf alte Tradition zurückgeht | Foto: Reiter
  • Gemeinsam wird die festliche geschmückte Pestkerze hinter der Kirche St. Benedikten im Gebiet der Pfarre St. Lorenzen bei Knittelfeld aufgerichtet. Ein lebendiger Brauch, der auf alte Tradition zurückgeht
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St. Benedikten. Der Pestkerzenumzug im Wandel.

Immer zehn Tage nach Fronleichnam, am „Herz-Jesu-Sonntag“ (heuer am 18. Juni um 9 Uhr) findet in St. Benedikten (Pfarre St. Lorenzen bei Knittelfeld) auf der Wiese hinter der Kirche eine Feldmesse statt. Für diesen Gottesdienst wird die 14,5 Meter lange Pestkerze aus der Kirche geholt und festlich geschmückt. Die Pestkerze wird vor der Messe aufgerichtet und dann in feierlicher Prozession zu den Altären getragen. Vier Jochträger tragen die Stange, und acht Männer halten die Stützstangen. Die Bauern aus St. Benedikten, Gottsbach und Ritzendorf sind dafür zuständig. Jede Familie schmückt eine Stange mit Bändern und Blumen. Nur bei Todesfällen in der betroffenen Familie werden schwarze Bänder verwendet.

Der Ursprung dieses Brauchtums wird auf ein Gelübde zurückgeführt, dass die Bewohner als Dank für die Rettung von der grassierenden Pest gegeben haben sollen, die zwischen 1348 und 1713 immer wieder zahlreiche Opfer gefordert hat.

Eine andere Überlieferung sagt: Nach einer Heuschreckenplage kamen die Türken ins Land und hausten am Murboden gar schrecklich. Durch die große Hungersnot, die da entstand, mussten die Menschen Baumrinde essen statt Brot. Da gelobten die Bewohner von St. Benedikten, wenn sie von all dem Ungemach befreit würden, wollten sie eine mehrere Zentner schwere Wachskerze opfern. Später waren sie aber wegen ihrer Armut nicht imstande, eine so schwere Kerze anzuschaffen. Sie begnügten sich mit einer Nachahmung, indem sie eine lange Stange mit einem Wachsstock spindelförmig überzogen.

Als die Türken wieder in diese Gegend kamen, vertauschten sie die Kerze mit einer mit Pulver gefüllten Blechröhre – in der Hoffnung, die Kerze würde, wenn angezündet, explodieren und die Kirche mitsamt den Andächtigen in die Luft sprengen. Zum Glück wurde dieser Anschlag rechtzeitig entdeckt.
Im Jahr 1902 kam es trotz aller Vorsichtsmaßnahmen zu einem folgenschweren Vorfall während des Umzugs. Wegen starker Windböen war es den Trägern nicht möglich, die Stange zu halten. Sie stürzte um und verletzte eine Klosterschwester tödlich. Seither ist auch die Pestkerze um ein Stück kürzer.

Seit ich denken kann, gehört dieser Festtag als fixer Bestandteil zu unserem Leben. Dieses Gelöbnis ist ein Bindeglied zwischen den zehn Kirchenbauern, die sich auch um den Erhalt der Bausubstanz der Kirche kümmern. So wurde nicht nur der Kirchturm neu mit Blech gedeckt. Inzwischen wurde das gesamte Dach neu gedeckt und der Innenraum mit großem Engagement saniert. Eine Initiative von Musikern erreichte mit Benefizkonzerten die Sanierung unserer kleinen Orgel.

Aus Erzählungen der Eltern und Großeltern wissen wir, dass der Festzug ursprünglich über die 75 Stufen hinunter zu den Gehöften geführt wurde. Von da über die Wiesen um die Gebäude herum. Als die Stromleitungen gebaut wurden, musste die Pestkerze während der Prozession 4-mal umgelegt und wieder aufgerichtet werden. Aus diesem Grund verlegte man die Messe und den „Umgang“ auf die Wiese (das Hochfeld) hinter der Kirche. In dieser Gestaltung erlebten wir den Umgangssonntag fast 60 Jahre. Seit der Errichtung des Seelsorgeraumes hat sich wieder etwas verändert. Wir freuen uns über die Veränderung, denn wenn sich etwas verändert, lebt es.

Johanna Reiter und die Kirchenbauern

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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